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Lohnkluft: St. Gallen will diese nicht mit einem arbeitsfreien Tag nur für Frauen kompensieren. © bmfsfj

8. März: Arbeitsfrei für Frauen

fs /  In der Schweiz fordern Politikerinnen, dass weibliche Verwaltungs-Angestellte am Frauentag frei haben, bis die Lohnkluft geschlossen ist.

Alle weiblichen Angestellten der Stadt St. Gallen sollen einen Tag weniger arbeiten müssen als die männlichen Angestellten. Dies verlangt eine Motion der drei Stadtparlamentarierinnen Andrea Scheck (Juso), Alexandra Akeret (SP) und Andrea Hornstein (Politische Frauengruppe).
Nicht erklärbarer Lohnunterschied
Sie begründen ihre Forderung mit der geschlechtsspezifischen Lohnkluft. Der nicht erklärbare Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern bei den Angestellten von Bund, Kantonen und Gemeinden liege bei 6,4 Prozent. «Wenn wir mit der bisherigen Geschwindigkeit weitergehen, und die Stadt sich weiter nur widerwillig zu kleinen Schritten überzeugen lässt, dauert es noch Jahrzehnte bis zur Lohngleichheit.» Deshalb schlagen die Parlamentarierinnen vor, dass der Internationale Frauentag für weibliche Angestellte der städtischen Verwaltung arbeitsfrei wird, bis die Stadt St. Gallen beweisen kann, dass es keine unerklärbaren Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern mehr gibt. «Der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau entspricht ganz konkret Arbeitszeit, die Frauen gleich wie Männer leisten, nur ohne dafür bezahlt zu werden. Mit diesem freien Tag wird den Frauen ein Teil davon zurückgegeben. Und zwar an dem Tag, der für den Gleichstellungskampf der Frauen steht.»
Stellungnahme der Regierung
Die Stadtregierung hat den Vorstoss kürzlich abgelehnt, berichtet das «St. Galler Tagblatt». Ein freier Tag schliesse die Lohnkluft nicht. Es gebe bessere Mittel, um die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern. Dazu gehöre zum Beispiel das städtische Personalreglement, das gleiche Löhne für Frauen und Männer vorschreibe. Und in der Verwaltung gebe es Beauftragte für Chancengleichheit. Solche Massnahmen seien «zielführender und sachgerechter als die Forderung der Motionärinnen». Weiter argumentiert die Regierung, ein arbeitsfreier Tag für alle Frauen würde dazu führen, dass die Stadtverwaltung an diesem Tag teilweise nicht funktionieren könne, da ein Drittel der Angestellten Frauen sind. Die Stadtregierung empfiehlt dem Stadtparlament, auf den Vorstoss nicht einzutreten.
Kritik
Die Parlamentarierinnen kritisierten gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» die Stadtregierung. Ein freier 8. März für Frauen sei ein kreativer Vorschlag zur teilweisen Kompensation der Lohnkluft, sagte Andrea Hornstein. Ein zusätzlicher freier Tag könne die Verwaltung nicht vor grosse Probleme stellen. Am traditionellen St. Galler Kinderfest, das die Stadt seit 1824 durchführt, sei es ja auch möglich, die städtische Verwaltung grösstenteils zu schliessen. «Warum nicht am 8. März?» Andrea Scheck sagte, mit der Forderung nach einem freien Tag für Frauen wolle man deutlich machen, was Lohnungleichheit konkret bedeute: Zeit und Geld. Wenn ein freier Tag nur für Frauen die Verwaltung tatsächlich lahmlegen könnte, sollte dies für die Stadt ein Anreiz sein, endlich vorwärts zu machen. Denn sobald der unerklärbare Lohnunterschied zwischen Frau und Mann verschwunden sei, falle auch der arbeitsfreie Tag nur für Frauen wieder weg.

Ähnliche Vorstösse
Treibende Kraft hinter der Forderung nach einem arbeitsfreien Frauentag für Frauen sind die Jusos. Sie wollen damit das Thema Gleichstellung sichtbar machen. Ähnliche Vorstösse wie in St. Gallen wurden eingereicht oder sind geplant in Parlamenten, wo die Jusos vertreten sind. Dazu gehören Bern, Biel (BE), Basel und mehrere Gemeinden in der Westschweiz.


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