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Laut Juristin Maria Wersig erlaubt die Verfassung zurzeit nur eine Frauenquote. © Hoffotografen

«Männerquote ist verfassungswidrig»

fs /  Hamburg bevorzugt bei gleicher Qualifikation Männer als Staatsanwälte. Eine Männerquote sei nicht mit einer Frauenquote vergleichbar, sagen Kritikerinnen.

Im Stadtstaat Hamburg gibt es mehr Staatsanwältinnen als Staatsanwälte. In den Stellenausschreibungen heisst es deshalb, dass männliche Bewerber «bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig berücksichtig» werden.

Hamburger Gleichstellungsgesetz
Der zuständige Personalverantwortliche Carsten Rinio beruft sich auf das Hamburger Gleichstellungsgesetz. Dieses verpflichtet die Behörden, das unterrepräsentierte Geschlecht bei gleicher Qualifikation und Eignung zu bevorzugen, bis die Untervertretung beseitigt ist. Laut der Gesetzesbegründung gilt dies für beide Geschlechter: «Abhängig von der Beschäftigtenstruktur richtet sich die Gleichstellungsförderung nicht nur an Frauen, sondern auch an Männer.»

Verstoss gegen Verfassung
Laut dem Deutschen Juristinnenbund verstösst das Hamburger Gleichstellungsgesetz gegen das Grundgesetz (Verfassung). Dieses erlaube nur eine Frauenquote, weil Frauen strukturell nach wie vor benachteiligt sind. «Eine solche faktische Benachteiligung ergibt sich für Männer nicht schon daraus, dass sie in einer Behörde zahlenmässig unterrepräsentiert sind.»
Joachim Wieland, Verfassungsrechtler an der Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, teilt laut «Legal Tribune Online» diese Ansicht. Das Grundgesetz erlaube Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung nur, um «faktische Nachteile zu beseitigen, die typischerweise Frauen treffen», sagt Wieland. Erst wenn die tatsächliche Gleichstellung einmal erreicht sein sollte, könnte eine Männerquote «in Betracht kommen».

Männer strukturell nicht benachteiligt
Diese Rechtsauffassung vertritt auch der Verfassungsrechtler Martin Heidebach von der Ludwig-Maximilians-Universität München. «Über die blosse Anzahl hinaus müsste die Unterrepräsentanz der Männer auf einer strukturellen Benachteiligung beruhen, um ihre Bevorzugung zu rechtfertigen.» Wenn Frauen in einem Bereich untervertreten sind, könne man «aufgrund der gesellschaftlichen Realität» vermuten, dass sie strukturell benachteiligt sind. Bei Männern sei dies nicht der Fall. Bei Männern müsste man eine strukturelle Diskriminierung erst nachweisen. Dabei müsse es sich nicht um offene Diskriminierung handeln. Es genügten Voreingenommenheiten gegenüber Männern.

Für Männer unattraktiv
Heidebach führt die Untervertretung der Männer darauf zurück, dass ein Job bei der Staatsanwaltschaft für Männer weniger attraktiv ist und sie sich deshalb nicht bewerben. Laut djb-Präsidentin Maria Wersig haben Männer in anwaltlichen Grosskanzleien und in der Privatwirtschaft bessere Karrierechancen und ein wesentlich höheres Gehalt als bei einer Staatsanwaltschaft. Frauen hingegen müssten im Privatsektor mit Diskriminierungen rechnen. Hinzu komme, dass sie im öffentlichen Dienst Familie und Beruf besser vereinbaren können.


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