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Traditionelle Rollen statt Vielfalt: Die ungarische Regierung will Geschlechterforschung verbieten. © EZ

Ungarn will Geschlechterforschung abschaffen

fs /  Die ungarische Regierung diffamiert Gender-Studies und plant ein Verbot. Geschlechterforschung attackiere die «Fundamente der christlichen Familie».

Mit einer Ministerialverfügung will die rechtsnationale ungarische Regierung von Viktor Orban es Universitäten verbieten, Lehrgänge im Fach Geschlechterforschung anzubieten. Sie hat einen Entwurf der Verfügung kürzlich den Universitäten geschickt. Diese hatten nur 24 Stunden Zeit, sich dazu zu äussern.

«Genderologen»
Eine offizielle Begründung für das geplante Verbot gibt es bisher nicht. Vertreter der Regierung werfen der Geschlechterforschung regelmässig vor, die «Fundamente der christlichen Familie» anzugreifen. Der stellvertretende ungarische Ministerpräsident Zsolt Semyen diffamierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenüber dem halbstaatlichen TV-Sender atv als «Genderologen», die niemand brauche.

Natur versus Kultur
Die Dachorganisation der Universitäts- und Hochschullehrkräfte in Ungarn kritisierte, die geplante Abschaffung des Forschungszweigs sei ein unzulässiger Eingriff in die Freiheit von Lehre und Forschung, berichtet der Nachrichtensender ntv. Zurzeit gibt es Master-Kurse in Geschlechterforschung an der staatlichen Lorand-Eötvös-Universität in Budapest und an der privaten Central European University, die Orban-Kritiker George Soros finanziert.
Die Geschlechterforschung untersucht, wie die Gesellschaft prägt, was als männlich und weiblich gilt. Zugespitzte Theorien gehen davon aus, dass das Geschlecht ein rein gesellschaftliches Konstrukt ist und nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat.

Unveränderbare Geschlechterordnung
Europaweit attackieren Rechte und religiöse Gruppen die Geschlechterforschung und ihre Exponentinnen. Im Zentrum der Kontroverse steht die Frage, ob nur die Natur die Geschlechterordnung prägt, oder auch die Gesellschaft. Für Kritiker ist die Geschlechterforschung ein Angriff auf die traditionelle Rollenteilung zwischen den Geschlechtern, die aus ihrer Sicht von der Natur oder von Gott vorgegeben und damit unveränderbar ist. Sie werfen der Gender-Forschung vor, die biologischen Grundlagen zu negieren. Geschlechterforschung sei keine Wissenschaft sondern eine Ideologie, welche die geschlechterlose Gesellschaft zum Ziel habe.

Veränderbare Geschlechterordnung
Fürsprecherinnen der Gender-Studies sagen, dass das soziale Umfeld die Geschlechterordnung prägt. Geschlechterforschung mache sichtbar, dass Macht, Chancen und Ressourcen zwischen den Geschlechtern unterschiedlich verteilt sind. Sie zeige, dass die traditionelle Geschlechterordnung gesellschaftlich geprägt und damit veränderbar ist. Dagegen würden sich die Kritiker mit dem Argument der Unwissenschaftlichkeit zur Wehr setzen. Ihnen gehe es darum, jahrtausendealte männliche Privilegien zu schützen und gegen die Gleichstellung mobil zu machen.


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