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Kommentar von Caster Semenya zur Testosteron-Obergrenze. © CS

«Einzig Frauen werden ausgeschlossen»

fs /  Ein erhöhter Testosteron-Wert gilt nur bei Frauen und nur für wenige Sportarten als unfairer Vorteil. Für Kritikerinnen ist dies willkürlich und diskriminierend.

Der Leichtathletik-Weltverband hat nach jahrelangem Hin und Her zum zweiten Mal beschlossen, dass Frauen mit erhöhten Testosteron-Werten im Blut Hormone schlucken müssen, wenn sie an Wettkämpfen teilnehmen wollen. Alternativ können sie bei den Männern starten. Die Testosteron-Obergrenze für Frauen zielt in erster Linie auf die erfolgreiche südafrikanische Mittelstreckenläuferin Caster Semenya. Sie hat von Natur aus einen erhöhten Wert des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in ihrem Körper.

Willkürlich
Eine ähnliche Regelung hatte der Leichtathletik-Weltverband nach dem Sieg von Semenya über 800 Meter bei der WM 2009 schon einmal beschlossen. Der Internationale Sportgerichtshof hat sie später sistiert. Es fehle ein wissenschaftlicher Beweis für einen grossen Leistungsvorteil. Darauf gab der Weltverband selber eine Studie in Auftrag, deren Ergebnisse er letztes Jahr veröffentlichte. Danach haben Frauen mit hohen Testosteron-Werten Vorteile im Bereich von 1,8 bis 2,8 Prozent in den Laufstrecken über 400 Meter, 400 Meter Hürden und 800 Meter. Noch grösser ist der Vorteil allerdings mit 2,9 bis 4,5 Prozent im Hammerwurf und Stabhochsprung. Doch für diese beiden Disziplinen gilt weiterhin keine Testosteron-Obergrenze. Kritikerinnen werfen der IAAF deshalb Willkür vor.

Studie in der Kritik
Fachleute kritisieren zudem die Studie, auf die sich die IAAF abstützt. Sie habe gravierende methodische Mängel und übertreibe den Vorteil intersexueller Sportlerinnen. «Diese Studie genügt wissenschaftlichen Kriterien nicht», schreiben eine Wissenschaftlerin und zwei Wissenschaftler in einem Blogeintrag auf der Seite des «British Journal of Sports Medicine».

Körperliche Vorteile im Spitzensport
Auch Männer haben unterschiedliche Testosteron-Werte. Doch niemand prüft, ob ein Sportler einen überdurchschnittlich hohen Testosteron-Wert hat. Bei Sportlerinnen hingegen gilt dieser natürliche Vorteil als unfair. Hormontests nur für Frauen seien deshalb diskriminierend, sagen Fachfrauen. Gerade im Spitzensport seien ungleiche körperliche Voraussetzungen verbreitet. Trotzdem gebe es beispielsweise im Basketball keine maximale Körpergrösse. Usain Bolt habe wegen schnell kontrahierender Muskelfasern einen körperlichen Vorteil für den Sprint gehabt, den niemand als unfair kritisiert habe.

Der südafrikanische Leichtathletik-Verband hat angekündigt, die neue Testosteron-Regel vor dem Internationalen Sportgerichtshof anzufechten.


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