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Ob ein Mädchen verstümmelt wird, hängt laut einer Studie von den Familienwerten ab. © unicef

Genitalverstümmelung ist keine soziale Norm

fs /  Private Werte spielen für die Verstümmelung von Mädchen eine wichtigere Rolle als soziale Normen. Das geht aus einer neuen Studie hervor.

Die Studie der Universität Zürich hat die Fachzeitschrift «Science» veröffentlicht. Das Forschungsteam hat dafür die Verstümmelungen in 45 Volksschulen im Sudan analysiert. Es fotografierte in den ersten Schultagen nach den Sommerferien die Füsse der Mädchen. Nach der lokalen Tradition wird Mädchen unmittelbar vor dem Eingriff Henna auf die Füsse aufgetragen. Reste davon bleiben mehrere Wochen sichtbar. Aufgrund der Fotos konnte das Forschungsteam diskret die Beschneidungsrate ermitteln. Zudem entwickelte es einen Test, um private Einstellungen messen zu können, die Erwachsene nicht explizit offenbaren möchten.

Kaum Extreme bei Verstümmelungsraten
«Abgesehen von einer einzigen Gemeinschaft mit einer Beschneidungsrate von geschätzten 100 Prozent war sie nirgendwo extrem hoch oder niedrig», schreibt das Forschungsteam. Es zieht daraus den Schluss, dass private Überzeugungen der Eltern entscheidender sind als sozialer Druck. Wären soziale Normen der Hauptgrund, müssten in einer Gemeinschaft entweder fast alle oder fast keine Mädchen verstümmelt sein. Eine einzelne Familie könnte sich nicht abweichend verhalten, ohne stigmatisiert zu werden. Aus der Studie geht jedoch hervor, dass Familien sich sehr unterschiedlich verhalten. «Familien, die ihre Töchter beschneiden und solche, die ihre Töchter nicht beschneiden, wohnen quasi Tür an Tür», schreibt Studien-Co-Leiter Charles Efferson.

Präventionsarbeit verpufft
Aufgrund der Studie stellt das Forschungsteam gängige Präventionsprogramme infrage, in die weltweit jährlich Millionen Dollar investiert werden. Dabei sprechen sich Familien öffentlich gegen die Verstümmelung aus. Diese öffentlichen Aussagen sollen die Norm verändern und aufzeigen, dass nicht verstümmelte Töchter bessere Heiratschancen haben. Laut Studien-Co-Leiterin Sonja Vogt besteht die Gefahr, dass an solchen Anlässen nur jene Familien teilnehmen, die bereits dazu neigen, auf die Verstümmelung zu verzichten. «Auf die restlichen Familien der Gemeinschaft wird ein solcher Aufruf aber keinen grossen Einfluss haben. Denn Familien beschneiden ihre Töchter aus privaten Überzeugungen und nicht, weil sie sich gleich verhalten wollen wie die anderen.»


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