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Opfer häuslicher Gewalt will die Schweizer Regierung besser schützen. © EU

Häusliche Gewalt: Höhere Hürden für Verfahrens-Stopp

fs /  In der Schweiz kann das Opfer ein Verfahren wegen häuslicher Gewalt stoppen. Das will die Regierung nun erschweren.

Strafverfahren wegen häuslicher Gewalt können Staatsanwaltschaften in der Schweiz sistieren und nach sechs Monaten einstellen, wenn das Opfer dies verlangt. Das ist häufig der Fall: Je nach Kanton werden 53 bis 92 Prozent der Verfahren wegen häuslicher Gewalt eingestellt. Der Bundesrat (Regierung) will diesen Entscheid nun nicht mehr alleine vom Willen des Opfers abhängig machen. Er schlägt vor, dass die Behörden auch weitere Umstände berücksichtigen müssen:
Opfer besser schützen

  • Das Verhalten der beschuldigten Person: Die Behörden müssen abklären, ob diese beispielsweise ein Lernprogramm gegen Gewalt besucht.
  • Wenn der Täter bereits wegen eines Deliktes gegen Leib und Leben verurteilt worden ist, muss ein Verfahren fortgeführt werden, auch wenn das Opfer dies nicht möchte.
  • Das Opfer muss vor der definitiven Einstellung eines Verfahrens zwingend noch einmal angehört werden und seine Zustimmung bestätigen.

Kontaktverbote überwachen
Der Bundesrat schlägt weitere Massnahmen vor, um Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking besser zu schützen. So sollen beispielsweise Gerichte neu anordnen können, dass Rayon- und Kontaktverbote mit elektronischen Fuss- oder Armbändern überwacht werden können. Schlichtungsverfahren, die bisher in bestimmten Fällen vorgesehen waren, sollen abgeschafft und keine Gerichtskosten mehr gesprochen werden.
Zu wenig Plätze in Frauenhäusern
Weiter will der Bundesrat die Istanbul-Konvention ratifizieren. Die Konvention ist auf europäischer Ebene das erste rechtlich verbindliche Dokument gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Sie ist 2014 in Kraft getreten. Laut dem Bundesrat erfüllt die Schweiz die rechtlichen Vorgaben. Die geforderten Präventions- und Schutzbestimmungen für Opfer fallen laut der Regierung mehrheitlich in den Kompetenzbereich der Kantone. Es sei «vertieft» abzuklären, ob das bestehende Angebot an Plätzen in Schutzeinrichtungen und an Telefonberatungen für Opfer den Anforderungen der Konvention genügt. Diese verlangt eine landesweite Telefonberatung, die kostenlos, vertraulich, anonym und rund um die Uhr erreichbar ist. In Schutzeinrichtungen muss ein Betreuungsplatz pro 10’000 Einwohnerinnen und Einwohner für Opfer häuslicher Gewalt zur Verfügung stehen. Nach Angaben des Dachverbandes der Frauenhäuser fehlen mehrere Hundert Plätze. Mittlerweile haben 18 Staaten die Istanbul-Konvention ratifiziert, unter anderen Österreich und Italien. Die Konvention unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben bisher unter anderen die Schweiz und Deutschland.


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