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Michelle Obama: «Das ist nicht normal, das gehört nicht in die Politik.» © HC

«Keine Frau verdient es, so behandelt zu werden»

fs /  Michelle Obama hat bei einem Wahlkampfauftritt eine denkwürdige Rede zu sexuellen Übergriffen gehalten. Hier ihre wichtigsten Aussagen in Deutsch.

«Ich kann einfach nicht glauben, dass ich jetzt sagen muss, dass ein Präsidentschaftskandidat mit sexuellen Übergriffen auf Frauen geprahlt hat. (…) Das ist nicht etwas, das wir ignorieren können. Das können wir nicht einfach unter den Teppich kehren, als wäre es eine weitere verstörende Fussnote in einem traurigen Wahlkampf. Das war nicht nur ein vulgäres Gespräch. Das war nicht nur Garderoben-Geschwätz. Da hat eine mächtige Person frei und offen über sexuell rücksichtsloses Verhalten gesprochen. Er hat sogar damit geprahlt, Frauen zu küssen und zu betatschen, in einer so unanständigen Sprache, dass viele von uns Angst hatten, die Kinder könnten dies hören, wenn sie den Fernseher einschalten.

«Es tut weh»
Und um alles noch schlimmer zu machen: Es sieht so aus, dass dies kein Einzelfall war. Es ist eines von unzähligen Beispielen, wie er ein ganzes Leben lang Frauen behandelt hat. Ich höre all das, und es trifft mich ganz persönlich. Ich bin sicher, das geht vielen von Ihnen auch so, vor allem den Frauen. Diese beschämenden Kommentare über unseren Körper. Die Respektlosigkeit gegenüber unserem Ehrgeiz und unserem Intellekt. Der Glaube, dass man mit Frauen alles machen kann.

Das ist entsetzlich. Das ist beängstigend. Und die Wahrheit ist: Es tut weh. Es tut weh. Das ist wie dieses üble, erdrückende Gefühl, wenn Sie in Gedanken die Strasse runter gehen und irgendein Typ ruft Ihnen vulgäre Worte über Ihren Körper hinterher. Oder wenn ein Kollege bei der Arbeit ein bisschen zu nah steht oder ein bisschen zu lange hinstarrt, und Sie sich unwohl fühlen in ihrer eigenen Haut. Es ist dieses Gefühl aus Angst und Missachtung, das zu viele Frauen erlebt haben, wenn jemand sie betatscht oder sich ihnen aufgedrängt hat und sie Nein gesagt haben. Aber der Täter hat nicht zugehört. Wir wissen es: Dies passiert täglich an Hochschulen und an unzähligen anderen Orten.

«Unsere Worte gelten weniger als seine»
(…) So viele Frauen haben so viele Jahre dafür gearbeitet, um diese Art von Missachtung, Gewalt und Respektlosigkeit zu beenden. Jetzt ist 2016 und wir hören genau dies jeden Tag im Wahlkampf. Wir ertrinken darin. Und wieder tun wir, was Frauen schon immer getan haben: Wir versuchen, den Kopf über Wasser zu halten, es durchzustehen und geben vor, dass uns dies nicht wirklich stört. Vielleicht denken wir, dass wir als Frauen schwach wirken, wenn wir zugeben, wie schwer es uns verletzt. Vielleicht haben wir Angst davor, so verwundbar zu sein.

Vielleicht haben wir uns daran gewöhnt, diese Gefühle herunterzuschlucken und still zu bleiben, weil wir erlebt haben, dass unsere Worte weniger gelten als seine. Vielleicht wollen wir aber auch einfach nicht wahrhaben, dass es auch heute noch Menschen gibt, die uns als Frauen so gering schätzen. Zu viele schieben dies beiseite, als wäre es eine von vielen Schlagzeilen, als wäre unsere Empörung überzogen und unberechtigt, als wäre das normal, als gehöre das zur Politik.

«Genug ist genug!»
Aber es muss uns klar sein: Das ist nicht normal, das gehört nicht in die Politik. Das ist eine Schande. Man darf es nicht tolerieren und zwar unabhängig davon, welcher Partei man angehört. Keine Frau verdient es, so behandelt zu werden. Niemand von uns darf so beleidigt werden.

Wir sind im Wahlkampf, aber hier geht es nicht um Politik. Es geht um grundlegenden menschlichen Anstand. Es geht um richtig und falsch. Wir können dies einfach nicht ertragen und wollen unsere Kinder nicht länger damit konfrontieren. Nicht eine Minute länger und sicher nicht vier Jahre lang. Jetzt müssen wir alle aufstehen und sagen: «Genug ist genug!». Das muss jetzt aufhören.

«Starke Männer müssen Frauen nicht erniedrigen»
(…) Diejenigen Männer, die ich kenne, sprechen nicht so über Frauen. Und ich weiss, dass meine Familie nicht ungewöhnlich ist. Dies als Garderoben-Geschwätz abzutun, verletzt jeden anständigen Mann. Die Männer, die Sie und ich kennen, behandeln Frauen nicht so. Sie sind liebevolle Väter, die der Gedanke anwidert, dass ihre Töchter sich anhören müssen, wie jemand auf diese schlimme Art und Weise über Frauen spricht. Sie sind Ehemänner, Brüder und Söhne, die nicht akzeptieren, dass Frauen respektlos behandelt und erniedrigt werden. Und wie wir sorgen sich diese Männer, welche Auswirkungen diese Präsidentschaftswahl auf unsere Söhne hat, die männliche Vorbilder suchen.

(…) Wir müssen unmissverständlich sagen: Starke Männer, die gute Vorbilder sind, müssen Frauen nicht erniedrigen, um sich selber stark zu fühlen. Wer wirklich stark ist, stärkt andere und bringt Menschen zusammen. Das ist es, was wir brauchen.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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