Lunr

Screenshot der frauenverachtenden Tweets über Luisa Neubauer. © jsp

«Man muss ihr ja nicht zuhören»

fs /  Im Netz attackieren Männer Frauen wegen ihres Geschlechtes. Auch ein SVP-Politiker macht mit – unter seinem richtigen Namen.

Ein aktueller Fall ist beispielhaft. Betroffen ist Luisa Neubauer, Aktivistin der «Fridays for Future»-Bewegung in Deutschland. Siemens-Chef Joe Kaeser hatte ihr Anfang dieses Jahres einen Sitz in einem Gremium für Umweltfragen angeboten, den die Klima-Aktivistin ablehnte. Darauf postete Eckhard Mackh, Mitglied der CSU, ein Foto der 23-Jährigen auf seiner Facebook-Seite: «Süsses Foto, oder etwa nicht?» Und weiter: «Also völlig unverständlich finde ich das nicht, dass Kaeser die anwerben wollte. Man muss ihr ja nicht zuhören.»

Like vom SVP-Politiker
Auf diesen Post gab es frauenverachtende Reaktionen. «Süss, aber ein bisschen zu wenig scharf, Foto natürlich!!!», «Hat bäuerliche Oberweite. Lecker!», «Bitch» hiess es unter anderem. Der deutsch-türkische Rechtsaussen-Schriftsteller Akif Pirinçci twitterte: «Ja, würde ich sofort ficken, auch wenn ich mir danach stundenlang das Klima-Zeug anhören müsste.» Screenshots zeigen, dass unter anderen Claudio Schmid diesen frauenverachtenden Kommentar mit Smiley likte. Der Politiker vertritt die rechtspopulistische SVP im Parlament des Kantons Zürich. Gegenüber «20 Minuten» bestritt Schmid, den Beitrag gelikt zu haben. Er habe nur die Frage gestellt, ob tatsächlich Pirinçci kommentiert habe. Pirinçci wurde vor ein paar Jahren wegen Volksverhetzung verurteilt. Seine Accounts waren mehrmals gesperrt.

«Gepflegter Sexismus»
Mackh war Mitglied der CDU und danach der «Blauen Partei/Blaue Wende», welche die frühere AFD-Chefin Frauke Petry gegründet hatte. Seit einem Jahr ist er gemäss seiner Facebook-Seite Mitglied der CSU. Das Foto von Luisa Neubauer und die Kommentare dazu hat er mittlerweile gelöscht. Seine Begründung ist aufschlussreich: Er habe mit dem Post seiner «Freude an der Schönheit dieser Frau angesichts von Bildern zum Ausdruck gebracht, in denen sie sich selbst in Szene setzt, also bestimmte Vorzüge selbst herausstellt». Der Kommentar von Pirinçci sei «eine etwas härtere Tonlage», die nicht im Sinne seines Beitrages sei. Er selber bekenne sich zum «gepflegten Sexismus». Damit meine er «eindeutige Komplimente, in ‘dezenten’ Formulierungen – gerade auch gegenüber Frauen, die anders denken und auch öffentlich gegenüber Personen, die sich öffentlich so inszenieren, dass man sich dabei darauf beziehen kann. Dies halte ich sogar für einen zentralen Bestandteil unserer Kultur». Mackh hält es also für einen Bestandteil der Kultur, mit frauenfeindlichen Kommentaren Frauen öffentlich zu diskreditieren.

Hater zur Verantwortung ziehen
In der Schweiz bekämpft Jolanda Spiess-Hegglin , frühere Abgeordnete im Kantonsparlament Zug, mit dem Verein «#NetzCourage» Hass in den sozialen Medien. Sie informierte auf Twitter über den Like von Schmid zum Kommentar von Pirinçci. Dieser sei eine Form von Gewalt: «Es handelt sich um eine starke sexuelle Objektivierung, begonnen mit dem Ursprungspost (‘Süsses Bild’) und gesteigert ‘würd ich ficken’ (ohne Konsens?), diese Art Objektivierung kann man durchaus als gewaltvoll bezeichnen», zitiert das Faktencheck-Portal «Volksverhetzer» Spiess-Hegglin. «#NetzCourage» zeigt Personen an, welche auf sozialen Medien wie Facebook oder Twitter strafrechtlich relevante Hasskommentare und Drohungen posten. Das ist allerdings nur möglich, wenn sie ihre frauenverachtenden Äusserungen unter ihrem richtigen Namen machen.

Facebook muss nun doch Namen herausgeben
Viele verstecken sich jedoch hinter Pseudonymen. In Deutschland versucht die grüne Politikerin Renate Künast auf dem Rechtsweg zu erreichen, dass Facebook die persönlichen Daten von 22 Autoren von Hasskommentaren herausgeben muss, damit sie diese verklagen kann. In erster Instanz entschied das Landgericht Berlin letztes Jahr, dass sie als «Schlampe», «Drecks-Fotze», «Drecksau», «Stück Scheisse» und «Pädophilen-Trulla» bezeichnet werden darf. Das seien keine persönlichen Schmähungen, sondern eine zulässige Kritik im Rahmen der freien Meinungsäusserung. Die Aussage «knattert sie doch mal so richtig durch, bis sie wieder normal wird», bezeichnete das Gericht als «Stilmittel der Polemik». Kürzlich hat das Gericht sein Urteil leicht revidiert und entschieden, dass sechs der insgesamt 22 beanstandeten Kommentare den Straftatbestand einer Beleidigung doch erfüllen und Facebook die Daten herausgeben muss. Als strafbare Beleidigung wertet das Gericht nun: «Stück Scheisse», «Schlampe», «Schlamper», «Drecks-Fotze», «Drecksau» und die Forderung, Künast als «Sondermüll» zu entsorgen. Als nächste Instanz wird sich das Kammergericht Berlin mit der Frage befassen, was sich eine Politikerin online alles gefallen lassen muss.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581