Saudi-Arabien: Gesetz gegen häusliche Gewalt

fs /  In Saudi-Arabien ist häusliche Gewalt weit verbreitet. Jetzt können betroffene Frauen erstmals selbständig Anzeige erstatten.

Frauen, die in Saudi-Arabien Anzeige wegen häuslicher Gewalt erstatten wollen, brauchen dafür nicht mehr das Einverständnis eines männlichen Verwandten. Dies sieht das Gesetz gegen häusliche Gewalt vor, sagte Waleed Abu al-Khair, Menschenrechtsaktivist und Anwalt, gegenüber «Al Jazeera». Er spricht von einem Durchbruch. Dies könne der erste Schritt hin zu einer grösseren Unabhängigkeit der Frauen sein. Für wichtige Entscheide benötigen Frauen in Saudi-Arabien zurzeit das Einverständnis eines männlichen Verwandten. Ohne dieses können sie beispielsweise weder einen Job annehmen, noch sich selbstständig machen oder ins Ausland verreisen. Auch in allen Justizverfahren waren sie bisher vom Einverständnis eines männlichen Verwandten abhängig und hatten damit den Status von Minderjährigen.
Frauen, Kinder und Hausangestellte schützen
Das Gesetz gegen häusliche Gewalt, das die saudische Regierung erlassen hat, gilt als Revolution für das stockkonservative Land. Es folgt auf eine Plakatkampagne gegen häusliche Gewalt, die im Frühjahr über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen gesorgt hatte. Das Gesetz soll Frauen, Kinder und Hausangestellte vor physischer und psychischer Gewalt schützen. Bei Verstössen drohen bis zu einem Jahr Haft und Strafen bis zu 50’000 Saudi-Rial (11’000 Euro, 13’000 Franken). Für Opfer häuslicher Gewalt will die Regierung Unterkünfte zur Verfügung stellen. Zeuginnen und Zeugen, die Übergriffe melden, können anonym bleiben.
Scharia billigt Gewalt gegen «ungehorsame» Ehefrauen
Laut dem saudischen Ministerium für soziale Angelegenheiten sind zu 98 Prozent Frauen Opfer der häuslichen Gewalt. Khaled al-Fakher, Generalsekretär der Nationalen Gesellschaft für Menschenrechte, sagt, häusliche Gewalt sei weit verbreitet, weil Frauen sich bisher aus Angst vor sozialer Stigmatisierung nicht trauten, Übergriffe zu melden. Richter konnten aufgrund ihrer Auslegung der Scharia urteilen und billigten oft Gewalt gegen «ungehorsame» Ehefrauen.
Das Gesetz gegen häusliche Gewalt gilt als weiteres Indiz dafür, dass König Abdullah gegen den Widerstand fundamentalistischer Religionsgelehrter den Frauen in kleinen Schritten mehr Rechte zugestehen will. Anfang dieses Jahres hat er erstmals 30 Frauen in den beratenden Schura-Rat berufen. Seit diesem Frühjahr dürfen Frauen und Mädchen in abgeschirmten Parks Rad fahren und in privaten Mädchenschulen Sportunterricht besuchen. Im Herbst haben weibliche Mitglieder des Schura-Rates vorgeschlagen, das Auto-Fahrverbot für Frauen aufzuheben. Und das Justizministerium hat erstmals Anwältinnen die Lizenz und damit das Recht erteilt, vor Gericht aufzutreten. Für die Kommunalwahlen im Jahr 2015 sollen Frauen das Wahlrecht erhalten.


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