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Kantonsgericht Schaffhausen © sh

Sexualtäter darf ahnungslose Frauen therapieren

fs /  Ein vorbestrafter Sexualtäter darf als Physiotherapeut arbeiten. Das Gesundheitsamt wurde über den Fall nicht informiert.

Das Kantonsgericht Schaffhausen hat letztes Jahr einen Pfleger wegen mehrfacher sexueller Nötigung und sexueller Belästigung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 22 Monaten verurteilt. Seinen ursprünglichen Beruf als Physiotherapeut darf er trotzdem weiter ausüben.
Die Taten ereigneten sich in einem Altersheim, wo der Mann als Pfleger arbeitete. Er war damals im Besitz einer Bewilligung des Gesundheitsamtes zur Ausübung seines Berufes als Physiotherapeut. Diese Bewilligung wurde ihm trotz des Urteils nicht entzogen. Der Grund: Das Kantonsgericht informierte das zuständige Gesundheitsamt nicht über die Verurteilung des Mannes. Dieses überprüfte deshalb die Bewilligung nicht.
Nach eigenen Angaben arbeitete der Mann zwar zum Zeitpunkt des Urteils seit einiger Zeit im Bau. Doch er kann jederzeit wieder eine Tätigkeit als Physiotherapeut aufnehmen. Die Patientinnen hätten keine Ahnung, dass ihr Therapeut ein verurteilter Sexualstraftäter ist. Die Nicht-Information des Amts begründete der zuständige SVP-Gerichtspräsident Markus Kübler gegenüber der Online-Plattform «Infosperber» damit, dass der Verurteilte seine Taten «nicht während der Ausübung einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit» begangen habe, und dass das Gericht «keinen begründeten Anlass zur Prüfung weiterer Massnahmen» sah. Denn zum Zeitpunkt des Urteils habe der Verurteilte schon seit längerem nicht mehr als Pfleger gearbeitet, sondern im Bau.
Laut dem Juristen Dominique Strebel hätte der Verurteilte schon kurz nach der Verurteilung wieder als Physiotherapeut arbeiten können, ohne dass das Gericht davon erfahren hätte. Alleine das Urteil und die Schwere der Tat in Zusammenhang mit der Praxisbewilligung müssten Grundlagen des Entscheides einer Meldung ans Gesundheitsamt sein. Danach sei es am Gesundheitsamt, die Konsequenzen zu beurteilen. Dominique Strebel: «Es kann nicht sein, dass das Kantonsgericht aus falsch verstandenem Täterschutz die Abwägungen selber trifft, die das Gesundheitsamt vornehmen müsste.»


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