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Moira Donegan hat die Liste «Shitty Media Men» gestartet. © MD

«Für Frauen ist es gefährlich, Klartext zu reden»

fs /  Eine Namensliste mit Gewalttätern hat in den USA heftige Reaktionen ausgelöst. Allerdings nicht diejenigen, welche die Urheberin beabsichtigte.

Die Liste «Shitty Media Men» hatte Ende letzten Jahres weltweit für Aufsehen gesorgt. Sie enthielt Erfahrungsberichte und Anschuldigungen gegen namentlich genannte Männer in der US-Medienbranche, die am Arbeitsplatz Frauen attackiert hatten.

Kontroverse
Wer die Liste der «beschissenen Medien-Männer» gestartet hatte, blieb vorerst anonym. Die für den privaten Gebrauch konzipierte Liste verbreitete sich sehr schnell und wurde auch rasch öffentlich. Die Urheberin löschte das Dokument schon nach zwölf Stunden. Doch da gingen erste Unternehmen bereits den Vorwürfen gegen angestellte Männer nach. Es entstand eine Kontroverse um die Frage, ob die Liste ein rufschädigender Pranger oder eines der wenigen Mittel von Frauen sei, sich gegenseitig zu warnen und so zu schützen.

«Ich war naiv»
Die Urheberin der Liste bedauerte Anfang dieses Jahres im «New York Magazine», dass die Diskussion sich um das Papier und nicht um das Verhalten der Männer drehte. Ihre Annahme, dass Männer für ihre Taten verantwortlich sind, sei offenbar immer noch nicht selbstverständlich. Als sie die Liste startete, sei sie naiv gewesen. Sie habe nicht damit gerechnet, dass diese öffentlich werde. Ihr habe es einfach nicht mehr genügt, dass Frauen ihre Erlebnisse mit sexueller Gewalt und Belästigung bloss öffentlich erzählen. Sie habe messbare Änderungen, auch im rechtlichen Bereich gewollt. Doch das sei offenbar ein voreiliger Schritt gewesen. «Die Erfahrung mit der Liste hat mir gezeigt, dass es heute immer noch brisant, radikal und gefährlich für Frauen ist, Klartext zu reden.»

Sich selber schützen
Die junge Journalistin wollte mit der Liste Frauen ein Mittel zur Verfügung stellen, um sich gegenseitig zu warnen und zu schützen. Junge Frauen in der Medienbranche wüssten oft nicht, an wen sie sich wenden können, wenn sie Opfer eines Übergriffs werden. Eine Tat zu melden, berge hohe soziale und berufliche Risiken bei geringen Erfolgschancen. Die Warnung von Frau zu Frau gelte deshalb vielen als sicherer und effizienter.

«Leben verändert»
Die Urheberin der Liste, Moira Donegan, kam mit dem Artikel im «New York Magazine» ihrer Enttarnung durch das «Harper’s Magazine» zuvor. Ihr Leben habe sich dramatisch verändert, seit die Liste öffentlich geworden sei, schreibt sie. Sie habe Freundinnen, Freunde und ihren Job verloren. Die Angst vor Attacken dominiere seither ihr Leben. «Ich musste lernen, dass der Schutz für Frauen einem selber schutzlos macht.»

Täter outen
In Frankreich nennt die Kampagne #balancetonporc («Verpfeif dein Schwein») Täter beim Namen. Die Journalistin Sandra Muller hatte auf Twitter und Facebook die Übergriffe von zwei ihrer früheren Chefs öffentlich gemacht und andere Frauen dazu aufgerufen, Belästiger auch namentlich zu outen. Muller hoffte auf eine abschreckende Wirkung für Täter. Doch die meisten der Frauen, die sich meldeten, nannten den Belästiger nicht beim Namen.


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