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Carlota Prado musste die Tat, von der sie nichts mitbekommen hatte, allein anschauen. © fmdos

TV-Sender verschwieg mutmassliche Vergewaltigung

fs /  Ein «Big Brother»-Teilnehmer verging sich in der TV-Show an einer betrunkenen Mitbewohnerin. Diese musste die Tat später ohne Beistand anschauen.

In Spanien wurde Carlota Prado vor zwei Jahren in der «Big-Brother»-Show des TV-Senders «Telecinco» von einem Mitbewohner vor laufenden Kameras mutmasslich vergewaltigt. Die Aufnahmen strahlte der Sender nie aus. Doch Carlota Prado musste sie ohne Vorwarnung im sogenannten «Beichtstuhl» ganz allein anschauen. Die damals 24-Jährige brach zusammen, da sie zum Tatzeitpunkt so stark betrunken war, dass sie die Tat nicht mitbekommen hatte. Gemäss einer BBC-Übersetzung des Videos sagte ihr das Produktionsteam: «Diese Angelegenheit sollte diesen Raum nicht verlassen.» Prado ist bis heute traumatisiert und arbeitsunfähig, berichten spanische Medien.

Aufnahmen erst jetzt veröffentlicht
Auch die «Beichtstuhl»-Aufnahmen strahlte der Sender nie aus. Sie sind aber Ende letzten Jahres der spanischen Online-Zeitung «El Confidencial» zugespielt worden, welche das Video veröffentlichte. Darin ist zu sehen, wie José María López, der mit Prado während der Show eine Beziehung begonnen hatte, sie ins Bett bringt und sich zu ihr legt. Dann soll nach spanischen Medienberichten zu hören sein, dass sie sagt, sie wolle keinen Sex. Dennoch macht López weiter und lässt erst von Prado ab, als das Produktionsteam ihn über Lautsprecher dazu auffordert. Später erstattet es Anzeige gegen ihn. López ist jetzt angeklagt, Prado penetriert zu haben, während sie nicht bei Bewusstsein war. Er streitet dies ab und sagt, er habe sich lediglich um seine betrunkene Mitbewohnerin gekümmert.

«Kultur der Vergewaltigung»
Das Video löste in Spanien einen Sturm der Entrüstung aus. Frauenrechtsaktivistinnen sprachen von einer «Kultur der Vergewaltigung» (Rape Culture), die sich ändern müsse. Damit gemeint ist eine Gesellschaft, die sexuelle Gewalt bagatellisiert. Das geschieht beispielsweise durch Verharmlosen der Taten, Schuldzuweisung an das Opfer oder geringe Strafen. Beatriz Gimeno, Podemos-Abgeordnete im Regionalparlament von Madrid, sagte, man müsse auch die Produzenten der Sendung strafrechtlich verfolgen, weil sie das Opfer nicht rechtzeitig geschützt haben. Es dürfe nicht sein, dass für sie andere Regeln gelten, als für Leute auf der Strasse. Die Psychologin Elena Hermo, die auf sexuelle Gewalt spezialisiert ist, sagte gegenüber der BBC, Prado sei doppelt zum Opfer geworden: Bei der Tat und im «Beichtstuhl», als sie vor allen Mitarbeitern der Sendung mit der Tat konfrontiert wurde.

Nur noch mit Prominenten
Für die «Big-Brother»-Sendung lebt eine Gruppe von Menschen wochenlang in einem als Wohnung eingerichteten Fernsehstudio. Das Leben der Teilnehmenden wird rund um die Uhr aufgezeichnet und live oder als Zusammenschnitt im Fernsehen ausgestrahlt. Die Kommunikation mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern – auch im «Beichtstuhl» – erfolgt einzig über eine Computerstimme («Big Brother»). Die spanische Version «Gran Hermano» läuft seit zwanzig Jahren und ist damit weltweit die am längsten laufende «Big-Brother»-Sendung. Seit 2018 nehmen nur noch Prominente teil. Ob die mutmassliche Vergewaltigung im Jahr 2017 der Grund dafür ist, gab Endemol bisher nicht bekannt.


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