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Der Europäische Gerichtshof entscheidet, ob ein Kopftuchverbot beim Kundengespräch zulässig ist. © dapd

Kopftuch: Dissens zwischen EU-Generalanwältinnen

fs /  Ein privater Arbeitgeber darf eine Angestellte nicht wegen des Kopftuches entlassen, sagt eine EU-Generalanwältin. Damit widerspricht sie ihrer Kollegin.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet in den kommenden Monaten in zwei Fällen, ob ein privater Arbeitgeber muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuches beim Kontakt mit Kunden verbieten darf. Die EU-Generalanwältinnen sind uneinig, ob die individuelle Religionsfreiheit Vorrang vor geschäftlichen Interessen eines Arbeitgebers hat.

Rechtswidrige Diskriminierung
Zuletzt hat Generalanwältin Eleanor Sharpston dafür plädiert, dass ein Kopftuch-Verbot eine rechtswidrige Diskriminierung ist. Sie hatte den Fall einer Projektingenieurin in einem IT-Beratungsunternehmen in Frankreich zu beurteilen. Nachdem ein Kunde sich wegen des Kopftuches beschwert hatte, forderte ihr Arbeitgeber sie auf, beim nächsten Besuch des Kunden kein Kopftuch zu tragen. Die Angestellte weigerte sich und wurde deshalb entlassen.

Berufliche Anforderung fehlt
Laut Sharpston ist eine unterschiedliche Behandlung nur gerechtfertigt, wenn es dafür eine «berufliche Anforderung» gibt. Dabei müsse es sich um eine «wesentliche und entscheidende» Anforderung handeln. Im Fall der Projektingenieurin sei dies nicht der Fall. Sie habe ihre Aufgaben in Kundengesprächen auch mit Kopftuch wahrnehmen können. Die Forderung des Arbeitgebers, kein Kopftuch zu tragen sei eine unzulässige Diskriminierung wegen der Religion. Im Zweifelsfall müsse das «unternehmerische Interesse an der Erzielung maximaler Gewinne» hinter dem Recht der Arbeitnehmerin, ihre religiöse Überzeugung zu bekennen, zurücktreten.

Dissens mit Kollegin
In einem ähnlichen Fall einer Rezeptionistin räumt Generalanwältin Juliane Kokott hingegen dem privaten Arbeitgeber mehr Rechte ein. Ihrer Ansicht nach ist ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zulässig, wenn der Arbeitgeber alle religiösen Zeichen verbietet. Entscheidend sei der Einzelfall. Eine wichtige Rolle spielt für Kokott auch die Verhältnismässigkeit. Die nationalen Gerichte müssen einen «gewissen Beurteilungsspielraum» haben, um die Interessen aller Beteiligten unter Berücksichtigung der nationalen Identität abwägen zu können. Kritiker sagen, das Gutachten von Kokott lasse mit der geforderten Einzellfallprüfung und Verhältnismässigkeit vieles offen.

Die Empfehlungen der Generalanwältinnen sind für den EuGH nicht bindend. Das Gericht fällt die Urteile in den kommenden Monaten.


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