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Demonstration für das liberale Abtreibungsrecht in Oslo. © nrk

Attacke auf liberales Abtreibungsrecht in Norwegen

fs /  Die Minderheitsregierung will Schwangerschaftsabbrüche erschweren, um an der Macht zu bleiben. Tausende protestieren.

Mitte November gab es in Norwegen landesweit Demonstrationen für das geltende liberale Abtreibungsrecht unter dem Slogan «Finger weg vom Recht auf Schwangerschaftsabbruch!». Anlass war der Plan der Regierungskoalition, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper zur Disposition zu stellen, um an der Macht bleiben zu können. Die konservative Regierungschefin Erna Solberg sagte gegenüber der Online-Zeitung «Norway Today», die Zeiten seien vorbei, in denen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen Tabu gewesen sei. Man müsse darüber sprechen können.

Fristenregelung
Seit 1978 ist in Norwegen eine Fristenregelung in Kraft. Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche können Frauen über einen Abbruch frei entscheiden. Es gibt weder eine Beratungspflicht noch eine vorgeschriebene Bedenkzeit. Nach der zwölften Woche ist ein Abbruch unter anderem möglich, wenn eine «hohe Wahrscheinlichkeit» besteht, dass das Kind wegen einer Erbanlage ernsthaft erkranken könnte.

Abtreibungsrecht als Verhandlungsgegenstand
Dieser Passus steht nun zur Disposition. Anlass ist der Beschluss der kleinen Christlichen Volkspartei, in die Regierung einzutreten. Die Partei toleriert seit 2013 die Minderheitsregierung von Erna Solberg. Anfang November beschloss der Parteitag in die Regierung einzutreten, um die sinkenden Umfragewerte zu stoppen. In den Koalitionsverhandlungen ist Solberg nun bereit, Schwangerschaftsabbrüche zu erschweren. Die Christliche Volkspartei verlangt, dass bei einer Zwillingsschwangerschaft Frauen das Recht verlieren, einen der beiden Föten entfernen zu lassen. Und nach der zwölften Schwangerschaftswoche sollen Abbrüche auch verboten werden, wenn das Kind wegen einer Erbanlage schwer erkranken könnte. Ein Abbruch soll nur noch bei einer tödlichen Krankheit erlaubt sein.

«Verrat» an Frauen
Die Fachzeitschrift «British Medical Journal» kritisierte in einem Kommentar Regierungschefin Solberg scharf. Ohne Auftrag von Volk oder Parlament habe sie das Selbstbestimmungsrecht der Frauen zum Spielball in der Politik gemacht. Das sei «Verrat» an den Frauen, der über Norwegen hinaus für Empörung sorgen müsse. «Das Beispiel aus einer unerwarteten Ecke zeigt schonungslos die Bereitschaft, mit der intimste und schwierigste persönliche Gesundheitsfragen von Frauen als politisches Kapital benutzt werden.» Solberg werde damit im norwegischen Parlament vermutlich scheitern. Aber sie habe grossen Schaden angerichtet.

Netzwerk gegen Frauenrechte
Auch die USA, Polen und weitere Ländern wollen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper einschränken. Als wichtigster Grund gilt der Rechtsruck in diesen Ländern. Abtreibungsgegner, die immer gegen das liberale Recht waren, haben deshalb Aufwind. In Europa sind sie länderübergreifend organisiert, wie Parlamentsmitglieder aus europäischen Ländern im Frühjahr aufgedeckt haben. Ziel des geheimen Netzwerkes ist es, Verhütung, Abtreibung und Scheidung zu verbieten. Die antiliberale Lobby-Organisation hat bereits in europäischen Institutionen Fuss gefasst und beansprucht erste Erfolge für sich.


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