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«Ich wurde ungenügend informiert. Heute würde ich an keinem Brustkrebs-Screening mehr teilnehmen.» © 3-Sat

Brustkrebs-Überdiagnose schadet Patientinnen

Urs P. Gasche /  Die Brustkrebs-Früherkennung «sollte gestoppt werden, weil der Schaden überwiegt», sagt Präventivmediziner Professor Peter Jüni.

Der TV-Sender 3-SAT strahlte einen Bericht aus über die Früherkennung von Brustkrebs mit Screenings. Einmal mehr wurde kritisiert, dass die meisten Frauen über die Risiken zu wenig informiert werden.

Unter 1000 Frauen sterben vier trotz Vorsorgeuntersuchung am Brustkrebs, ohne Screening fünf. Dafür werden zehn Frauen unnötig behandelt, so Peter Jüni, Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern. Und überdies stirbt eine Frau in der Screening-Gruppe mehr an anderen Ursachen, denn es komme zu mehr Herzinfarkten oder Lungenkarzinomen durch die Überdiagnose.
Ob mit oder ohne Screening zur Früherkennung: Es wird kein einziger Todesfall verhindert (eine Frau von 1000 stirbt weniger an Brustkrebs, dafür an einer andern Todesursache). Allerdings werden zehn Frauen wegen Brustkrebs behandelt – ohne Nutzen.
«Fair über Nutzen und Risiken aufklären»
Eine vergleichbare Diskussion hat auch in Deutschland begonnen: Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), forderte, die Frauen endlich fair über Nutzen und Risiken aufzuklären. In Deutschland unterziehen sich jährlich 2,7 Millionen Frauen einer regelmässigen Untersuchung der Brust.

Frauen der betreffenden Altersgruppe erhalten bisher regelmässig ein Merkblatt, das für die Teilnahme am Screening wirbt. Dieses Merkblatt stösst auf Kritik, weil darin der Nutzen der Mammografie völlig übertrieben werde. «Es schweigt sich darüber aus, dass die Gesamtsterblichkeit in der Screening-Gruppe gleich hoch ist wie in der Nicht-Screening-Gruppe», sagte Gerd Gigerenzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Beim zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Spitälern und Kassen (G-BA) hiess es, das Merkblatt werde derzeit überarbeitet.

Viele Betroffen fühlen sich falsch informiert
Der Nutzen der Untersuchung werde überschätzt, während über Risiken wie falsche Positiv-Befunde nur wenig bekannt sei, heisst es auch in dem im Februar 2014 veröffentlichten Gesundheitsmonitor der deutschen Barmer Ersatzkasse und der Bertelsmann-Stiftung. 30 Prozent der Frauen glaubten, dass schon die Teilnahme am Mammografie-Screening verhindere, dass sie an Brustkrebs erkranken. Befragt wurden 1852 Frauen im Alter von 44 bis 63 Jahren.

Der Bremer Mediziner Professor Norbert Schmacke, einer der Autoren des Gesundheitsmonitors, hält das Ausmass der Informationsdefizite für besorgniserregend. Es fehle an verständlichen Informationen.

Der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg bestätigte die Ergebnisse. Viele Anruferinnen seien zwar vorinformiert. «Dennoch hören wir immer wieder den Satz: ‹Da bin ich immer zur Vorsorge gegangen und bekomme trotzdem Krebs’», sagte Birgit Hiller vom Krebsinformationsdienst.


Dieser Artikel erschien zuerst auf infosperber.ch.


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