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Brustimplantate: Diejenigen des Herstellers PIP waren mit billigem Industrie-Silikon gefüllt. © srf

Deutsche gehen leer aus, Französinnen kassieren

fs /  Gerichte beurteilen unterschiedlich, ob Prüfstellen wegen minderwertiger Brustimplantate Entschädigungen zahlen müssen.

In Deutschland hat der Bundesgerichtshof eine solche Haftung abgelehnt. Aufgrund dieses Urteils haben Betroffene kaum noch Aussicht auf eine finanzielle Entschädigung. In Deutschland sind dies laut der «Süddeutschen Zeitung» über 5000 Frauen.

Billiges Industrie-Silikon
Geklagt hatte eine Frau, der ein Chirurg Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt hatte. PIP hatte jahrelang Brustimplantate aus billigem Industrie-Silikon verkauft. Obwohl es bereits 1996 erste Risiko-Hinweise für die PIP-Implantate gab, flog der Schwindel erst 2010 auf. Der Hersteller PIP ist mittlerweile Konkurs gegangen. Die Frau verklagte deshalb die Prüfstelle in Deutschland, den TÜV Rheinland. Dieser hatte im bezahlten Auftrag von PIP die Implantate geprüft. Die Klägerin warf dem TÜV unter anderem vor, nie unangekündigte Kontrollen beim Hersteller PIP gemacht zu haben.

Strengere Prüfpflicht nur bei Hinweisen
Der Bundesgerichtshof legte ihre Klage zuerst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Dieser entschied, dass Prüfstellen für Medizinprodukte grundsätzlich nicht verpflichtet sind, unangemeldete Kontrollen vorzunehmen, Geschäfsunterlagen zu sichten oder Produkte selber zu prüfen. Doch wenn sie Hinweise auf ein mangelhaftes Medizinprodukt haben, müssen sie «alle erforderlichen Massnahmen» ergreifen, um das Produkt zu prüfen. Ob eine Prüfstelle haftet, hänge schlussendlich von nationalem und nicht von europäischem Recht ab.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass der TÜV Rheinland nicht haftet. Es habe zwar Hinweise auf minderwertige Implantate gegeben. Doch diese hätten weder PIP noch Industrie-Silikon betroffen. Der TÜV Rheinland sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, strenger zu kontrollieren (Aktenzeichen: VII ZR 36/14, Urteil vom 22.6.2017).

Schadenersatz für Französinnen
In Frankreich hat das Handelsgericht Toulon Anfang dieses Jahres den TÜV Rheinland zur Zahlung von 60 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt (64 Millionen Franken). Es sprach 20’000 Klägerinnen je 3000 Euro zu. Gegen dieses Urteil hat der TÜV Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht Aix-en-Provence hat kürzlich entschieden, dass der TÜV die Zahlungen sofort und nicht erst nach Abschluss des Gerichtsverfahrens ausführen muss. Der TÜV erklärte sich bereit, unter Vorbehalt zu zahlen. Wenn er das Berufungsverfahren gewinne, müsse das Geld zurückgezahlt werden.


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