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Mit Prämien für Neugeborene wollen Staaten den Bevölkerungsschwund stoppen. © iug

Mit Babyprämien Frauen ködern

fs /  Ungarns reaktionäre Regierung sorgt mit Gebärprämien für Aufsehen. Doch mit finanziellen Anreizen wollen auch andere Länder die Geburtenrate erhöhen.

Als die reaktionäre ungarische Regierung kürzlich ankündigte, Ungarinnen mit höheren finanziellen Anreizen zum Gebären zu ermuntern, ging ein Aufschrei durch die Medien: Gebärprämien seien frauenfeindlich und reaktionär hiess es. Das stimmt. Doch fast alle Staaten machen Bevölkerungspolitik. Sie finanzieren Elternzeit (Mutterschaftsurlaub), Kinderzulagen (Kindergeld), familienexterne Betreuungsmöglichkeiten, Steuererleichterungen und immer häufiger auch finanzielle Prämien für die Geburt eines Kindes, wie die «Welt» berichtet.

Zinslose Kredite ab drei Kindern

  • Ungarn versucht seit Jahren, die Geburtenrate mit finanziellen Anreizen zu erhöhen. Frauen, die zum ersten Mal heiraten, erhalten unter anderem Steuerermässigungen und Kredite, etwa für den Kauf einer Wohnung. Zinslos sind die Kredite allerdings erst ab drei Kindern. Jetzt hat die reaktionäre Regierung angekündigt, dass sie noch weniger Steuern zahlen und höhere zinslose Kredite erhalten sollen. Doch: Wenn Frauen nicht drei Kinder bekommen, bleiben sie auf Schulden sitzen, für die sie erst noch Zinsen zahlen müssen.
  • In Deutschland gibt es seit 2018 Baukindergeld. Das ist ein jährlicher Zuschuss von 1200 Euro pro Kind an den Kauf oder Bau einer Immobilie (1400 Franken). Zudem zahlen einige Städte und Kommunen einmalige Prämien für die Geburt eines Kindes.
  • In der Schweiz zahlt der Kanton Tessin seit diesem Jahr 3000 Franken für jedes neugeborene Kind (2700 Euro). Die Prämie wird nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs ausbezahlt. Sie soll es laut dem zuständigen Regierungsmitglied Paolo Beltraminelli (CVP) Eltern ermöglichen, «mehr bei den Kindern zu sein». Einmalige Prämien bei der Geburt eines Kindes gibt es auch in anderen Kantonen wie Neuenburg, Jura, Freiburg, Uri, Schwyz und Luzern, Wallis, Waadt und Genf.

Ackerland vom Staat für das dritte Kind

  • In Italien will die populistische Regierung für das dritte Kind den Eltern Ackerland in kostenloser Pacht überlassen. Und sie sollen für ein neues Haus 200’000 Euro als zinsfreien Baukredit erhalten (226’000 Franken). Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio argumentiert ähnlich wie Ungarns Ministerpräsident Victor Orban: Die Anreize sollen den «gefährlichen Trend», dass die Italiener keinen Nachwuchs mehr bekommen, aufhalten oder sogar umkehren.
  • In Österreich will die rechtskonservative Regierung die Geburtenrate mit Steuererleichterungen erhöhen. Eltern können ab diesem Jahr einen Steuerabzug von 250 bis 1500 Euro pro Jahr und Kind geltend machen. Steuerabzüge kommen in der Regel den Männern zugute. Und wer keine Steuern zahlt, geht leer aus.
  • In Russland gibt es seit 2007 ab dem zweiten Kind für jedes Kind eine Prämie von rund 6000 Euro (6800 Franken). Dieses «Mutterschaftskapital» muss in Wohneigentum, in die Ausbildung der Kinder oder in die Altersvorsorge investiert werden.
  • China erlaubt seit 2015 Paaren, zwei Kinder zu bekommen. Provinzen versuchen, Zweitkinder mit finanziellen Anreizen wie Geburtsprämien, Steuererleichterungen und Wohnungsbeihilfen zu fördern.
  • In Portugal versuchen Städte und Dörfer, mit Babyprämien für Neugeborene den Bevölkerungsschwund stoppen.
  • In Spanien gab es bis 2010 eine Babyprämie von 2500 Euro für jedes neugeborene Kind. Wegen der Finanzkrise wurde diese gestrichen.
  • Tschechien zahlt Eltern mit geringem Einkommen für das erste Kind eine Prämie von umgerechnet maximal 520 Euro und für das zweite Kind von maximal 400 Euro.

Erwerbstätigkeit statt Mutterrolle fördern
Kritikerinnen monieren, Prämien für Kinder seien gefährlich, wenn sie dazu führen, dass Frauen ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder aufgeben und damit vom Ehemann oder dem Staat abhängig werden. Staaten sollten mit finanziellen Anreizen Frauen nicht auf die Mutterrolle reduzieren, sondern ihre Erwerbstätigkeit fördern. Ein Steuervergleich der OECD zeigte vor ein paar Jahren, dass allein finanzielle Prämien kaum Einfluss auf die Geburtenrate haben. Viel wichtiger sei eine gute Infrastruktur, damit Frauen erwerbstätig bleiben können.


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