EU: Keine Empfehlung für risikoärmere Verhütung

fs /  Die EU-Behörde sieht keinen Grund, ältere Verhütungspillen zu empfehlen – obwohl diese klar risikoärmer sind als neue Präparate.

Das zuständige Fachgremium der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat in einer neuen Nutzen-Risiko-Abwägung das Thrombose-Risiko der neuesten Generation von Antibaby-Pillen als deutlich erhöht bezeichnet. Trotzdem empfehlen die Fachleute der EMA nicht, auf ältere Präparate umzusteigen. Sie raten lediglich, Ärzte und Frauen besser über die Risiken und deren Symptome zu informieren.
Frauen, die mit Drospirenon-haltigen Pillen wie Yasmin, Yasminelle und Yaz verhüten, haben ein deutlich höheres Thrombose-Risiko als Frauen, die Verhütungs-Pillen mit dem Wirkstoff Levonorgestrel schlucken, die schon länger auf dem Markt sind. Thrombosen sind Blutgerinnsel, die in den Venen entstehen und zu lebensgefährlichen Schlaganfällen und Embolien führen können. Schätzungen gehen davon aus, dass seit der Zulassung der Drospirenon-haltigen Pillen vor gut zehn Jahren weltweit einige Hundert Frauen wegen solcher Thrombosen gestorben sind. Eine viel grössere Zahl leidet an schweren gesundheitlichen Schäden.
Yasmin, Yasminelle und Yaz: Geschädigte Frauen fordern Verbot
Die Fachleute der EMA bezeichnen in ihrer neuen Bewertung das Thrombose-Risiko beider Wirkstoffe als «gering». In absoluten Zahlen stimme dies, schreibt die «Coordination gegen Bayer-Gefahren». Da jedoch sehr viele Frauen diese Pillen schlucken, sei auch diese geringe Differenz von Bedeutung: 2012 verhüteten beispielsweise in Deutschland mindestens 550’000 Frauen mit Drospirenon-haltigen Pillen. Pro Jahr erlitten deshalb etwa 250 Frauen mehr eine Thromboembolie, als wenn alle Frauen eine Pille mit dem Wirkstoff Levonorgestrel eingenommen hätten.
Die Zuverlässigkeit der Verhütung ist bei allen Verhütungs-Pillen ähnlich. Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfiehlt, «insbesondere für Erstanwenderinnen und Anwenderinnen unter 30 Jahren» Verhütungs-Pillen mit niedrigerem Embolie-Risiko, also beispielsweise mit dem Wirkstoff Levonorgestrel, zu bevorzugen. Das pharmakritische «Arznei-Telegramm» hält es für «überfällig», dass auch die EMA die risikoärmeren Verhütungs-Pillen als Mittel der ersten Wahl empfiehlt. Die «Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter (SDG)» verlangt, risikoreichere Verhütungs-Pillen wie Yasmin, Yasminelle und Yaz zu verbieten.
Schadenersatzklage gegen Bayer erfolglos
In der Schweiz sind bisher zehn junge Frauen wahrscheinlich an den Folgen Drospirenon-haltiger Pillen gestorben. Die Fälle betreffen einen Zeitraum von zehn Jahren. Wie viele weitere an Thrombosen und Lungenembolien erkrankten, weiss die Zulassungsbehörde Swissmedic nicht. Die Mutter einer jungen Frau, die nach der Einnahme von Yasmin eine Lungenembolie erlitten hat und seither schwerst behindert ist, verlangt vom Hersteller Bayer Schadenersatz. Die erste Instanz hat die Klage abgewiesen. Bayer hat mittlerweile Klage gegen die Spitäler eingereicht, in denen Céline behandelt worden ist. Der Pharmakonzern begründet dies mit einem Bericht, in dem die Spital-Ärzte Yasmin als wahrscheinliche Ursache für die Lungenembolie verantwortlich machen. In der Schweiz und anderen Ländern in Europa, wo Sammelklagen nicht möglich sind, müssen Betroffene einzeln und auf eigenes Risiko klagen.
In den USA hingegen hat Bayer aussergerichtlich schon Millionen Dollar an Geschädigte von Drospirenon-haltigen Pillen bezahlt. Der Konzern kann damit Gerichtsverfahren vermeiden. Eine Haftung hat Bayer bisher nicht anerkannt.


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