famidrr

Im Frühjahr berichtete die DPA noch von einem «Familiendrama» statt einem Doppelmord. © zet

Ein «Beziehungsdrama» ist jetzt «Mord»

fs /  Wenn ein Mann seine Partnerin umbringt, ist von «Familientragödie» oder «Beziehungstat» die Rede. Eine grosse Nachrichtenagentur macht damit Schluss.

Mit Begriffen wie «Familiendrama» und «Eifersuchtstat» verharmlosen Medien Gewalt an Frauen und schieben den Opfern eine Mitschuld zu. Die Deutsche Presse-Agentur (DPA), Deutschlands grösste Nachrichtenagentur, spricht jetzt Klartext.

Aus Drama und Tragödie wird Mord und Totschlag
In der Berichterstattung über Gewaltverbrechen in partnerschaftlichen Beziehungen verwendet die DPA künftig Begriffe wie «Familientragödie» oder «Beziehungsdrama» nicht mehr. DPA-Nachrichtenchef Froben Homburger erklärte auf Twitter: «Drama und Tragödie rücken Mord und Totschlag in die Nähe eines schicksalhaften Geschehens, in dem Opfer- und Täterrolle zu verschwimmen scheinen: Ist der Täter nicht auch irgendwie Opfer (etwa einer zerrütteten Beziehung) – und hat das Opfer daher nicht auch Anteil an der Tat?»
DPA-Chefredaktor Sven Gössmann sagte im öffentlich-rechtlichen «radioeins»: «Begriffe wie Beziehungsdrama, Familiendrama, Ehetragödie erinnern eher an Theater als an das, was sie wirklich sind, nämlich schreckliche Verbrechen und das wollen wir mit unserer Berichterstattung bewusst machen.»

«Sex-Täter» und «Sex-Attacke»
Die DPA untersagt zudem Begriffe wie «Sex-Täter», «Sex-Attacken» und ähnliche «euphemistische Umschreibungen sexualisierter Gewalt». Solche Begriffe habe die DPA in den vergangenen Jahren kaum noch verwendet, schrieb Homburger. Jetzt seien sie ausdrücklich untersagt. Solche Begriffe suggerieren, dass Gewalt etwas mit Sex, mit natürlichen Bedürfnissen zu tun hat. Sie verschleiern, dass es sich um Gewalt handelt. DPA-Chefredaktor Sven Gössmann: «Wir wollen auch hier so präzise wie möglich sein.» Die DPA wolle stattdessen von Vergewaltigung, Stalking oder Nötigung schreiben.

Positive Reaktionen
Auf Twitter gab es viele positive Reaktionen zum Entscheid der DPA. Die Aktivistinnen von «Gender Equality Media», die täglich Medien auf sexistische Inhalte analysieren, sprachen von einem «riesigen Schritt». Hans-Günter Kellner, freier Journalist in Madrid, machte darauf aufmerksam, dass in anderen Ländern Klartext schon länger üblich ist. Als in Spanien im letzten Frühjahr ein Deutscher mutmasslich seine Frau und seinen Sohn ermordete, schrieb die DPA noch von «Familiendrama». Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hingegen twitterte: «Die Macho-Gewalt schlägt wieder doppelt zu.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581