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Im generischen Maskulinum ist die Frau mitgemeint, im generischen Femininum der Mann. © AStefanoitsch

Frauen sollen mitgemeint bleiben

fs /  Die Argumente eines Sprach-Kolumnisten gegen geschlechtergerechte Sprache zeigen: Es scheint um mehr als Formulierungen zu gehen.

In der Schweiz hat der «TagesAnzeiger» das generische Femininum verwendet. In einem Artikel über die neuen Regeln für Fitnesscenter hiess es, die Geräte müsse jede «Nutzerin» selber desinfizieren. Für einmal waren Männer mitgemeint. Das hat den Sprach-Kolumnisten Daniel Goldstein veranlasst, sich lustig zu machen über das Anliegen von Frauen, in der Sprache sichtbar und nicht bloss in der männlichen Form mitgemeint zu sein. «Müssen nur Frauen Geräte selber putzen?», fragte Goldstein. Was man Frauen mit dem generischen Maskulinum seit Jahrhunderten zumutet, scheint für einen Mann unvorstellbar zu sein: Zu überlegen, ob er mitgemeint ist.

«Kindergarten»
Herablassend wirft Goldstein dem «Tages-Anzeiger» eine «Kindergarten-Gerechtigkeit» vor, die auf der irrigen Annahme beruhe, dass bei der männlichen Form «Nutzer» nur Männer gemeint seien. «Im Deutschen haben wir die Schwierigkeit, dass die allgemeine Form meistens mit der männlichen übereinstimmt und man aus dem Zusammenhang erkennen muss, ob nur Personen männlichen Geschlechts gemeint sind oder eben alle.» Was Goldstein ausser acht lässt: Die meisten Menschen assoziieren mit der männlichen Personenbezeichnung einen Mann, wie aus zahlreichen Studien hervorgeht. Ein «Nutzer» ist ein Mann, auch ein «Teilnehmer» oder «Lehrer».

«Nutzerich»
Doppelnennungen wie «Nutzerin und Nutzer» disqualifiziert Goldstein als «penetrant», was unter anderem aufdringlich, lästig, übergriffig und unangenehm heisst. Als Alternative schlägt er vor, einen männlichen Nutzer als «Nutzerich» zu bezeichnen. Diese Form gebe es schon. «Ein Wüterich könnte gar eine Frau sein.» Mit absurden Beispielen geschlechtergerechte Sprache lächerlich zu machen, ist eine alte Taktik von Kritikern.

Es geht um mehr als Sprache
Im Unterschied zu anderen Kritikern geschlechtergerechter Sprache könnte sich Goldstein eine Änderung der Sprachregel vorstellen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es «Frauen in ansehnlicher Zahl wirklich ungerecht finden», dass sie mitgemeint sind. Gerechte Sprache soll also nur möglich sein, wenn möglichst viele Frauen diese aktiv einfordern. Es bleibt schleierhaft, weshalb man den Wunsch von Frauen, in der Sprache sichtbar zu sein, nicht einfach respektieren kann. Die seltsame Argumentation zeigt: Es scheint um mehr zu gehen als nur um Formulierungen. Die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch bezeichnete das generische Maskulinum einst als «gigantische Werbemaschinerie» für den Mann: «Mit fast jedem Satz, in dem von Personen die Rede ist, erzeugt sie die Vorstellung einer männlichen Person. Wenn Sie es nicht glauben, fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.»


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