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Mit «Gender-Unfug» übernimmt der Aufruf die Sprache von Rechtspopulisten. © vds

Prominente machen beim Gender-Bashing mit

fs /  Der Aufruf «Schluss mit dem Gender-Unfug» kritisiert geschlechtergerechte Sprache. Die Wortwahl ist verräterisch.

Den «Aufruf zum Widerstand» verfasst haben die Schriftstellerin Monika Maron, der Sprachkritiker Wolf Schneider, der frühere Lehrerverbandspräsident Josef Kraus und Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS). Auf dessen Webseite kann man den Aufruf unterzeichnen.

«Lächerliche Sprachgebilde»
Laut dem Aufruf gibt es zwischen dem biologischen und dem grammatischen Geschlecht «absolut keinen festen Zusammenhang». Geschlechtergerechte Sprache erzeuge «eine Fülle lächerlicher Sprachgebilde» wie «die Radfahrenden» und «die Studierenden». Der Duden wird kritisiert, weil er «Luftpiratinnen» und «Idiotinnen» als eigene Stichworte aufführt. Und: «Warum fehlt im Duden das Stichwort ’Christinnentum’ – da er doch die Christin vom Christen unterscheidet?» Mit einem exotischen Beispiel will der Aufruf zeigen, dass eine gendergerechte Sprache nicht konsequent durchzuhalten sei: «Wie kommt der Bürgermeister dazu, sich bei den Wählerinnen und Wählern zu bedanken – ohne einzusehen, dass er sich natürlich ’Bürgerinnen- und Bürger¬meister’ nennen müsste?»

Stimmungsmache statt konstruktive Vorschläge
Vorschläge als «lächerlich» zu disqualifizieren ist eine alte Taktik, um Forderungen von Frauen abzuservieren. Linguistik-Professorin Helga Kotthoff stellte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur klar, es sei nachgewiesen, dass ein männlicher Begriff wie Lehrer das Maskuline verstärke. «Es kann uns doch niemand erzählen, dass dann vor dem inneren Auge eine Lehrerin auftaucht.» Man müsse praktikable Lösungen finden, sagt Kotthoff. Doch darum gehe es im Aufruf nicht.

Hetze gegen Frauenrechte
Mit dem Begriff «Gender-Unfug» übernimmt der Aufruf die Sprache von Rechtspopulisten, die regelmässig mit «Gender-Gaga» und «Gender-Wahnsinn» gegen Frauenrechte hetzen. Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin sagte der «Welt», der Verein Deutsche Sprache vertrete «deutschlandzentrierte reaktionäre Kulturvorstellungen» und suche Anschluss an rechtspopulistische Diskussionen. Der Aufruf führe «mit Vollgas» zurück in die Vergangenheit. «Vorwiegend ältere Herrschaften» sähen ihre Sprachgewohnheiten verletzt.

Prominente Unterzeichner
Etliche Prominente aus Kultur, Politik und Wirtschaft haben den Aufruf unterzeichnet. Zu den Erstunterzeichnern gehören der Philosoph Carl Friedrich Gethmann, Mitglied des Deutschen Ethikrates; der Kritiker Gerhard Stadelmaier; der Germanist Gert Ueding; die Autoren Rüdiger Safranski, Bastian Sick, Peter Schneider, Günter Kunert, Reiner Kunze; die Schriftstellerinnen Sibylle Lewitscharoff und Katja Lange-Müller; die Kabarettisten Dieter Nuhr und Dieter Hallervorden. Diese «respektablen Gelehrten und Persönlichkeiten» sind laut der «Süddeutschen Zeitung» in «trüber Gesellschaft». Zu den Erstunterzeichnern gehören nämlich auch der evangelikale Fernsehprediger Peter Hahne; der Publizist Rolf Stolz, der als islamfeindlich gilt und wiederholt vor einem rechten Publikum aufgetreten ist; die rechte Publizistin Cora Stephan; der rechte Publizist Roland Tichy; Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maassen, der unter anderem wegen Verschwörungstheorien vorzeitig in den Ruhestand gehen musste.

Praktikable Lösungen
Den Aufruf haben auch Personen aus der Schweiz unterzeichnet, wie der konservative Politiker Claudio Zanetti und der Unternehmer Werner Kieser. Der Aufruf blieb jedoch in der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbeachtet. Jürg Niederhauser, Vizepräsident des «Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache», sagte gegenüber «20 Minuten», er teile zwar einige Bedenken des deutschen Aufrufs. Doch Sprache solle alle einschliessen. Es gehe darum, Lösungen zu finden, die im Sprachalltag praktikabel seien. Man könne beispielsweise beide Formen nennen oder zwischen weiblicher und männlicher Form abwechseln.


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