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Gewalt soll in der Schweiz das entscheidende Kriterium für eine Vergewaltigung bleiben. © EU

Das Ringen um Frauenrechte geht weiter

fs /  50 Jahre Frauenstimmrecht, Frauenwahl und Frauenstreik zum Trotz: Gleichstellungsanliegen stossen weiterhin auf Widerstand.

Die Schweiz feiert 50 Jahre Frauenstimmrecht. Mutige und engagierte Frauen mussten über hundert Jahre lang dafür kämpfen. Aktuelle Beispiele zeigen, dass es dieses Engagement weiterhin braucht, damit Gleichstellungsanliegen nicht zweitrangig bleiben.

Keine Kampagne gegen Sexismus
Ende letzten Jahres hat der Ständerat den Vorstoss der grünen Nationalrätin Regula Rytz für eine mehrjährige Präventionskampagne gegen Sexismus mit einer Stimme Unterschied abgelehnt. Nun wird es keine solche Kampagne geben. SVP-Ständerat Jakob Stark warnte im Ständerat vor einem Staat, der seine Bürger und Bürgerinnen «erzieht und bevormundet». Zudem sei eine derart «fette» Kampagne über mehrere Jahre angesichts der Corona-Pandemie unverhältnismässig. Es brauche jetzt Kampagnen zur Pandemieabwehr. «Alles andere, auch eine Sexismus-Präventionskampagne, ist in diesem Umfeld dann eben zweitrangig», sagte Stark.

Halbbatzige Revision des Sexualstrafrechtes
Die Rechtskommission des Ständerates schlägt vor, dass eine Vergewaltigung wie bisher nur dann rechtlich eine Vergewaltigung sein soll, wenn der Täter physische oder psychische Gewalt anwendet. Es reicht nicht, wenn das Opfer Nein sagt. In Schweden und immer mehr europäischen Ländern ist statt einer Nötigung die fehlende Zustimmung das entscheidende Kriterium für eine Vergewaltigung. Sex ohne klare Zustimmung gilt als Vergewaltigung. Doch das geht den Konservativen in der Schweiz zu weit. Die SP hat eine Kampagne gestartet und einen Musterbrief für die Vernehmlassung zum Gesetz online geschaltet. Daran beteiligen können sich auch Einzelpersonen. SP-Nationalrätin Tamara Funiciello: «Es braucht jetzt den Druck aus der Bevölkerung, damit die Schweiz nicht wieder eines der letzten Länder ist, die zeitgemässe Gesetze einführen.»

Rentenkürzung für erwerbstätige Frauen
Mit der 10. AHV-Revision wurde das Rentenalter der Frauen sukzessive von 62 auf 64 Jahre erhöht und damit wurden ihre Renten faktisch gekürzt. Nun will die Regierung das Rentenalter der Frauen auf 65 erhöhen. Diese Angleichung an das Rentenalter der Männer hat das Volk schon zweimal abgelehnt. Deshalb schlägt die Regierung Ausgleichsmassnahmen für Frauen vor. Doch der Sozialkommission des Ständerats gehen diese zu weit. Sie will die Ausgleichsmassnahmen kürzen und stattdessen die Renten für Ehepaare zu erhöhen. Dieser Vorschlag sei ein «gleichstellungspolitisches Armutszeugnis», kritisierte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). Innert drei Tagen unterschrieben über 160’000 Personen einen Appell der Gewerkschaften gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters. Mittlerweile hat der Appell über 300’000 Unterschriften. «Die Herren im Ständerat dachten wohl, der Frauenstreik sei vergessen. Von wegen!», sagte SGB-Zentralsekretärin Gabriela Medici.

Politikerinnen stören
Der konservative SVP-Ständeratspräsident Alex Kuprecht fühlte sich nach Amtsantritt Ende letzten Jahres berufen, junge Ratskolleginnen zu ermahnen, die ein Jahr zuvor neu in die Kantonskammer gewählt worden waren. In einem Videogespräch mit SVP-Nationalratspräsident Andreas Aebi klagte er auf der Webseite des Parlamentes: «Der Geist des Ständerats, ein spezieller Geist, eine Kultur, konnte bei den neuen Mitgliedern noch nicht so implementiert werden, wie das in früheren Jahren der Fall war.» Er werde die neuen Ratsmitglieder «in diese Kultur einführen». Gegenüber der Zeitung «Der Bund» begründete Kuprecht sein Klagen damit, dass die Neuen zu viele Vorstösse einreichen, zu lange sprechen, «Unruhe» in den Saal bringen und aus dem Ratssaal twittern. Im Visier hatte er laut «Bund» hauptsächlich vier junge Ständerätinnen der Grünen, die 2019 überraschend gewählt wurden. Ironischer Kommentar des «Bund»: «Man stelle sich vor, mitten in der Corona-Krise würden ein paar junge grüne Frauen auch noch den ‘Geist des Ständerats‘ zugrunde richten!»


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