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Larissa Waters während ihrer historischen Rede mit Baby im australischen Parlament. © Parliament of Australia

Baby-Verbot im Parlament «nicht zeitgemäss»

fs /  In Deutschland darf eine Politikerin ihr Baby nicht im Parlament stillen. Andernorts ist dies im Parlament sogar am Rednerpult möglich.

Madeleine Henfling, Abgeordnete der Grünen im Thüringer Landtag, wollte mit ihrem sechs Wochen alten Kind ihrer Arbeit als Abgeordnete nachgehen. Doch Landtagspräsident Christian Carius (CDU) wies sie aus dem Parlamentssaal. Die Geschäftsordnung des Parlamentes sehe Mütter mit Kindern nicht vor. Schliesslich zählten zwei Stimmen von Frauen nicht: Um die knappen Mehrheitsverhältnisse zu wahren, stimmte eine CDU-Abgeordnete ebenfalls nicht ab.

Keine Rechtssicherheit
Rechtssicherheit gebe es damit nicht, sagte Henfling der «Tageszeitung»: «So bin ich auf den guten Willen der anderen angewiesen und gefährde im Ernstfall die Koalitionsmehrheit. Und wer weiss, wie lange die anderen das mitmachen? So lange, bis ich nicht mehr stille?» Elternzeit (Mutterschaftsurlaub) für Abgeordnete gibt es nicht. Eine Stellvertretung ist nicht möglich. Laut Henfling ist es in vielen Bundesländern kein Problem, Babys bei Abstimmungen im Parlament dabei zu haben. Sogar im Bundestag gebe es ein entsprechendes «Agreement».

«Strukturelle Diskriminierung»
Die Fraktion der Grünen bereitet eine Verfassungsklage vor, sagte der Fraktionsvorsitzende Dirk Adams der «Thüringer Allgemeinen». Carius habe Henfling in ihrem Mandat eingeschränkt. Der Thüringer Landesfrauenrat und die Landesgleichstellungsbeauftragte Katrin Christ-Eisenwinder (Linke) kritisierten die Wegweisung in einem offenen Brief als «Skandal»: «Eine Auslegung der Geschäftsordnung, die Mütter ausschliesst, ihre parlamentarische Pflicht zu erfüllen, ist strukturelle Diskriminierung und hat zur Folge, dass junge Frauen keine Mandate übernehmen können, selbst wenn sie es wollten. Ein Parlament, das in dieser Form Mütter vom demokratischen Handeln ausschliesst, ist nicht zeitgemäss.»

Stillen im nationalen Parlament
In Australien sind seit anderthalb Jahren Babys bei Debatten zugelassen. Die grüne Abgeordnete Larissa Waters war letztes Jahr die erste Politikerin, die während ihrer Rede im nationalen Parlament ihr Baby stillte. Sie erinnerte daran, wie lange es bis zur Regeländerung dauerte. «Manchmal ist es schwer, nicht entmutigt zu sein angesichts des Sexismus, der Frauen am Arbeitsplatz entgegenschlägt. Aber manchmal lohnt es sich zurückzublicken und zu sehen, wie weit wir gekommen sind.»
In Island hat vor zwei Jahren eine Politikerin ihr Baby gestillt, während sie im Parlament zu den Abgeordneten sprach. Laut isländischen Medien war das eine Première. Das Kind sei hungrig gewesen und sie habe nicht erwartet, dass sie in diesem Moment als Präsidentin einer parlamentarischen Kommission zum Einwanderungsgesetz Stellung nehmen müsse, sagte Unnur Brá Konráðsdóttir, Abgeordnete der rechten Unabhängigkeitspartei. Die Première sorgte weltweit für Schlagzeilen.


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