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Die Gerichte sind uneinig, ob eine Betreuungspflicht dem Kindeswohl entspricht. © dbb

Umstrittene Betreuungspflicht für Väter

/  In der Schweiz verlangt eine Mutter, dass der Vater verpflichtet wird, die Kinder häufiger zu betreuen. Das Höchstgericht ist zurückhaltend.

Das Bundesgericht hatte den Fall unverheirateter Eltern zu beurteilen, die getrennt leben und beide berufstätig sind. Sie teilen sich das Sorgerecht. Die Kinder leben bei der Mutter. Diese verlangt, dass der Vater an jedem zweiten Wochenende die Kinder betreut und nicht nur an jedem dritten Wochenende. Falls er verhindert ist, müsse er eine Fremdbetreuung finanzieren. Dagegen wehrt sich der Vater vor Gericht mit dem Argument, er sei beruflich oft im Ausland.

Gerichte uneinig
Das Familiengericht gab dem Vater in erster Instanz recht. Dieses Urteil kippte das Obergericht Aargau in zweiter Instanz. Es stellte fest, dass das gemeinsame Sorgerecht keine Betreuungspflicht vorschreibt. Hingegen lasse sich eine solche mit dem Kindeswohl rechtfertigen. Der Vater trage die geteilte Verantwortung für die Kinder, deshalb müsse er auch seinen Teil zur Betreuung leisten. Es entspreche dem Kindeswohl, wenn der Vater die Kinder häufiger sehe. Zudem verringere dies den Organisationsdruck auf die Mutter, was sich auch positiv auf die Kinder auswirke. Das Obergericht verpflichtete den Vater, die Kinder jedes zweite Wochenende zu betreuen. Falls er verhindert ist, müsse er die Kosten für eine Fremdbetreuung übernehmen. Der Vater zog dieses Urteil ans Höchstgericht weiter.

Entscheid verschoben
Das Bundesgericht kritisiert die Begründungen des Obergerichtes. Dessen Argumentation, dass das Betreuungsrecht auch eine Betreuungspflicht bedeutet und diese Pflicht auch die Verantwortung für eine Fremdbetreuung umfasst, habe keinen Zusammenhang mit dem Kindeswohl. Das Bundesgericht könne deshalb nicht feststellen, ob das Urteil der Vorinstanz dem Kindeswohl entspreche. Das Obergericht habe nicht abgeklärt, ob der Mann das angeordnete Besuchsrecht tatsächlich wahrnehmen könne. Und es habe nicht festgelegt, wie Fremdbetreuung «konkret» aussehen müsse. Das Höchstgericht hat den Fall nun zur neuen Beurteilung ans Obergericht Aargau zurückgewiesen.

Abweichende Meinung
Für das Bundesgericht entschied ein rein männliches Gremium. Laut der «Neuen Zürcher Zeitung» äusserte einer der fünf Richter in der öffentlichen Beratung kein Verständnis für den Vater. Tausende berufstätiger Eltern müssten täglich die Betreuung der Kinder organisieren. Das gemeinsame Sorgerecht sei kein Wunschkonzert, sondern verlange auch Opfer.

Seit knapp zwei Jahren ist in der Schweiz das gemeinsame Sorgerecht unabhängig vom Zivilstand der Eltern der Regelfall. Eine Betreuungspflicht für denjenigen Elternteil, bei dem die Kinder nicht wohnen, sieht das Gesetz nicht vor.


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