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Kampagnen über soziale Medien fordern die Freilassung von Ghontscheh Ghawami. © FB

Sportverband toleriert Stadionverbot für Frauen

fs /  Im Iran sitzt eine Frau im Gefängnis, weil sie ein Volleyballspiel anschauen wollte. Doch der Volleyball-Weltverband hat nur halbherzig reagiert.

Volleyball gehört im Iran zu den populären Sportarten. Seit zwei Jahren dürfen Frauen jedoch keine Volleyballspiele der Männer mehr vor Ort mitverfolgen. Ghontscheh Ghawami sitzt im Gefängnis, weil sie versuchte, im Juni das Weltliga-Spiel Iran gegen Italien im Stadion zu verfolgen. Dessen ungeachtet wollte der Volleyball-Weltverband (FIVB), der das Weltliga-Turnier organisiert, für nächstes Jahr internationale Turniere an den Iran vergeben.

Kritik von Menschenrechtsorganisation
Dazu gehörte angeblich die U-19-Weltmeisterschaft. Diese soll nun jedoch in Argentinien stattfinden. Die Asienmeisterschaften hingegen sollen 2015 wie geplant im Iran ausgetragen werden. Der Volleyball-Weltverband habe den Asiatischen Volleyballverband (AVC) nicht aufgefordert, die Asienmeisterschaften 2015 neu zu vergeben, berichtet die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ). Der Weltverband wolle auch nicht öffentlich versprechen, keine Turniere mehr an den Iran zu vergeben, so lange das Land Frauen diskriminiert und damit die Olympische Charta verletzt. Minky Worden von der Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» kritisierte die zögerliche Haltung: «Unserer Ansicht nach sind internationale Sportveranstaltungen im Iran angesichts der derzeitigen Rechtslage nicht akzeptabel.» Die Gleichberechtigung sei ein Bestandteil der Olympischen Charta. Die Sportfunktionäre sollten die eigenen Grundsätze ernster nehmen. Wenn die Sportverbände die Diskriminierung von Frauen nicht mit «sehr klaren Worten» verurteilen, werde diese weiter zunehmen. «Nichts zu tun senkt die Toleranzschwelle. Das sendet die Botschaft aus: Diskriminierung ist ok.»

Hungerstreik und Höchststrafe
Ghontscheh Ghawami hatte im Juni zusammen mit anderen Frauen vor der Sporthalle in Teheran dagegen protestiert, dass sie nicht eingelassen wurde. Die britisch-iranische Doppelbürgerin wurde kurzzeitig festgenommen. Als sie darauf ihre Papiere bei der Polizei abholen wollte, wurde sie verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Danach musste die Jus-Studentin monatelang auf eine Anhörung warten. Im Oktober trat sie wegen der unwürdigen Haftbedingungen in einen Hungerstreik. Laut ihrem Anwalt ist sie kürzlich wegen «Propaganda gegen das Regime» zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Das wäre die Höchststrafe für dieses Delikt.

Geisel der «Betonköpfe»
Gemäss den iranischen Behörden gibt es bis jetzt kein Urteil. Ghontscheh Ghawami sei verhaftet worden, weil sie Kontakte zu iranischen Oppositionskreisen gehabt habe. Der Volleyball-Weltverband hat sich bei Staatspräsident Hassan Rouhani, der als Reformer gilt, für einen Freispruch der jungen Frau eingesetzt. Die iranische Justiz wird jedoch von Konservativen dominiert. Ghawami sei eine Geisel der «Betonköpfe unter den Turbanen» geworden, schrieb die FAZ. An der jungen Frau werde ein Exempel statuiert, das Frauen Angst machen solle, sagt Minky Worden: «Das ist die schlimmste Botschaft, die man an Athletinnen und Zuschauerinnen senden kann.»

Vergabe-Praxis ändern
Seit längerem verbietet der Iran Frauen den Besuch von Fussballspielen der Männer. Im Volleyball gilt dieses Verbot erst seit zwei Jahren. Peter Kleinmann, Präsident des österreichischen Volleyballverbandes (ÖVV) forderte im «Standard» den Volleyball-Weltverband und den «noch mächtigeren» Fussball-Weltverband (Fifa) auf, mehr Druck auszuüben und grundsätzlich keine internationalen Spiele mehr an den Iran zu vergeben, bis das Stadionverbot gefallen ist.


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