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Mabelle Solano wurde als 13-Jährige von einem Gleichaltrigen vergewaltigt. © srf

«Er hat mich vergewaltigt»

fs /  Vier junge Frauen haben öffentlich gemacht, dass sie vergewaltigt worden sind. Sie fordern eine Änderung des Sexualstrafrechtes.

In der Schweiz postete Bloggerin Mabelle Solano Ende letzten Jahres, dass sie vergewaltigt worden sei. Zehn Jahre nach der Tat könne sie jetzt klar aussprechen: «Er hat mich vergewaltigt.» Anfang dieses Jahres sorgte dann das Bekenntnis der Lehrerin und Bloggerin Morena Diaz schweizweit für Aufsehen. Sie sei Ende 2018 von einem «guten Freund» in dessen Zuhause vergewaltigt worden.

Widerstand schwierig bis unmöglich
Sex ohne Einverständnis ist zurzeit in der Schweiz nur strafbar, wenn Betroffene sich nachweislich gewehrt haben. Nein zu sagen, genügt dafür nicht. Wie schwierig die gesetzlich erforderliche Gegenwehr ist, schildern Morena Diaz, Mabelle Solano und die Deutschen Jorinde Wiese und Luisa Nübling ausführlich im Dokumentarfilm «#vergewaltigt – aber kein Opfer!» des Schweizer Fernsehens srf. Die heute 21 bis 27 Jahre alten Frauen berichten, weshalb sie nicht verhindern konnten, vergewaltigt zu werden. Die jungen Frauen kannten die Täter und wurden von ihnen überrumpelt. Alle waren den Tätern kräftemässig unterlegen. Diaz wehrte sich, spürte aber plötzlich ihren Körper nicht mehr und konnte ihn nicht mehr bewegen. Solano wehrte sich heftig, verletzte sich dabei und gab deshalb den Widerstand auf. Nübling wurde geschlagen. Wiese sagt, ihr Körper habe einfach mitgemacht und funktioniert. Sie habe einen Handlungsspielraum gehabt, diesen aber nicht nutzen können. Für Aussenstehende sei es sehr einfach zu sagen, sie hätte sich doch wehren können.

Kritik an Gesetz
Mit ihren Bekenntnissen lösten die jungen Frauen eine Flut von Hasskommentaren aus. Sie seien selber schuld, lautete ein häufiger Vorwurf. Diaz sagt im Dokumentarfilm, das Ausmass dieser Kommentare habe sie betroffen gemacht: «Man glaubt primär nicht, was das Opfer sagt.» Es sei für sie wie eine Faust ins Gesicht, wenn man ihr sage, sie habe sich nicht genug gewehrt. «Die Gesetze, wie sie heute sind, machen ganz klar, dass die Opfer eine Mitschuld tragen. Ich weigere mich für mich und alle Opfer, das zu akzeptieren.»

Tabuthema
Für alle vier Frauen ist es wichtig, über das Erlebte zu sprechen. Nübling sagt, erst als sie begonnen habe, über ihre Vergewaltigung zu sprechen, offenbarten sich ihr andere Betroffene. «Viele sind betroffen und trotzdem macht niemand den Mund auf.» Solano sagt, Vergewaltigungen passieren tagtäglich und sollten deshalb kein Tabuthema mehr sein.

Langer Weg zurück
Der Weg zurück war für alle steinig. Solano brauchte zehn Jahre, um aus der Opferrolle herauszukommen. «Es ist nicht einfach und braucht Zeit, aber man schafft das.» Ihr damals minderjähriger Vergewaltiger wurde zu 12 Sozialstunden verurteilt. Solano: «Das ist ein Witz für das, was er mir angetan hat.» Nübling hat eine Therapie gemacht. Morena Diaz berichtete kürzlich auf ihrem Blog, dass sie ihren Vergewaltiger «vor einigen Wochen» angezeigt habe: «Ich habe ihn angezeigt und habe Angst. Ich habe ihn angezeigt und in mir herrscht ein Gefühlschaos. Denn obwohl ich Angst habe, fühle ich mich mutig.» Sie nehme es in Kauf, wegen des Strafverfahrens retraumatisiert zu werden. Sie mache das für alle Menschen, die dasselbe durchmachen mussten und um ein Zeichen gegen Gesetze zu setzen, welche die Schweiz «quasi zu einem Paradies für Vergewaltiger» machen.
In Deutschland gilt seit 2019 der Veto-Grundsatz «Nein heisst Nein».
In der Schweiz fordern Fachfrauen im Hinblick auf eine Revision des Sexualstrafrechtes, ein Einwilligungsprinzip einzuführen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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