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Barbara Züst von der «SPO Patientenschutz» fordert eine Meldepflicht für Übergriffe von Ärzten. © ethz

Meldepflicht für Übergriffe von Ärzten

fs /  In der Schweiz sollen mitwissende Ärzte Übergriffe auf Patientinnen melden müssen. Dies fordern Patientenorganisationen.

Der Ärzteverband FMH will von einer Meldepflicht nichts wissen. Er setzt auf eine eigene Anlaufstelle, an die sich Täter wenden können. Für Verena van den Brandt von der Stiftung Linda, die Opfer von sexuellem Missbrauch in professionellen Beziehungen unterstützt, ist dies zu wenig. Strafrechtlich relevante Taten müssten bestraft werden, sagte sie gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Es geht nicht nur um ein bisschen Grapschen im Rahmen einer ärztlichen Behandlung, sondern um von langer Hand geplante Straftaten.» Es brauche mehr als nur die Hoffnung, dass ein Täter sich selber meldet.

Ärzteverband gegen Meldepflicht
Der Ärzteverband FMH appelliert an fehlbare Ärzte, Hilfe zu suchen. Er gründete vor ein paar Jahren «ReMed», das «Unterstützungsnetzwerk für Ärztinnen und Ärzte». Bei dieser Anlaufstelle sollen sich Ärzte melden, die einen Übergriff zu verantworten haben. Eine Meldepflicht für Mitwissende lehnt Christine Romann, die bei der FMH für den Kampf gegen sexuelle Übergriffe zuständig ist, ab. Wer gegen den Willen einer Patientin einen Übergriff melde, begehe damit einen weiteren Übergriff auf diese Patientin. Das könne gravierend sein, da die Betroffenen oft schon eine Vorgeschichte mit sexuellem Missbrauch hätten. Vielmehr müssten die Betroffenen ermutigt werden, selber gegen einen Täter vorzugehen. Auch Peter Christen, Programmleiter von «ReMed», lehnt eine Meldepflicht ab. Mitwissende seien oft nur bruchstückhaft informiert. Damit bestehe die Gefahr, dass Ärzte falsch beschuldigt, in langjährige Verfahren verwickelt und in den Suizid getrieben würden.

Ärzte sind nicht Opfer
Barbara Züst von der Stiftung «SPO Patientenschutz» kritisiert, dass diese Argumentation Täter- und Opferrollen vertausche. Nicht die Ärzte seien die Opfer, sondern die Patientinnen. Die Ängste der Ärzte seien «paranoid». Sie hätten wenig zu befürchten, da die Behörden Meldungen zu Übergriffen von Ärzten oft zu wenig ernst nehmen und die Verfahren deshalb im Sand verlaufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arzt seine Lizenz verliere, sei sehr gering.

Datenbank informiert über fehlbare Ärzte
In kanadischen Provinz Ontario können Patientinnen online nachschauen, ob ihr Arzt vom Ärzteverband als Sextäter bezeichnet wird oder andere Standesregeln verletzt hat. Die Disziplinarkommission der Ärztegesellschaft «College of Physicians and Surgeons of Ontario (CPSO)» veröffentlicht alle verbandsinternen Entscheide gegen fehlbare Ärzte, also auch gegen Sextäter, und zwar unabhängig von einem gerichtlichen Verfahren. Im Internet sind alle Entscheide veröffentlicht, welche die verbandsinterne Disziplinarkommission seit 1990 gefällt hat.


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