Deutschland: Hoden sind mehr wert als Eileiter

fs /  Wenn es wegen Arztfehlern, Unfällen oder Gewalttaten ums Schmerzensgeld geht, werden Frauen und Männer nicht gleich behandelt.

Für vergleichbare Schäden erhalten Frauen und Männer von Gerichten teilweise deutlich unterschiedliche Summen an Schmerzensgeld zugesprochen. Dies geht aus einer Analyse des Marburger Anwaltes Hans-Berndt Ziegler hervor, welche die «Zeitschrift für Schadensrecht» veröffentlicht hat. Der auf Medizinrecht spezialisierte Anwalt hat dafür Schmerzensgeldtabellen ausgewertet, die deutsche Gerichte für ihre Entscheide beiziehen. In diesen Tabellen sind die Schmerzensgelder früherer Gerichtsurteile erfasst.
Aus der Analyse geht hervor, dass die Gerichte Männern und Frauen für vergleichbare Schäden teilweise deutlich unterschiedliche Summen zusprechen. Drei Beispiele:

  • Verlust der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit: Männer erhalten 20’000 bis 60’000 Euro (24’000 bis 72’000 Franken). Frauen hingegen müssen sich mit 2500 bis 50’000 Euro (3000 bis 60’000 Franken) begnügen.
  • Der Verlust eines Hodens ist für die Gerichte mehr wert als der Verlust eines Eileiters: Männer erhalten 10’000 bis 18’000 Euro (12’000 bis 22’000 Franken), Frauen nur 2500 bis 15’000 Euro (3000 bis 18’000 Franken).
  • Schönheit hingegen ist den Gerichten bei den Frauen mehr wert. Der Unterschied ist allerdings weniger gross: Für eine Narbe in einem Männergesicht sprach ein Gericht dem Opfer 750 Euro (900 Franken) zu. Eine ähnlich entstellte Frau erhielt hingegen 2500 Euro (3000 Franken) zugebilligt. Für eine Narbe am Unterarm erhielt eine Frau 2000 Euro (2400 Franken).

Ziegler sprach gegenüber der «Legal Tribune Online» von «patriarchalen Altlasten in der Richterschaft». Mit dem Blick auf die Schmerzensgeldtabellen würden die Gerichte Unterschiede fortschreiben, die Generationen früherer Richter vorgegeben haben: «Es sind zwar heutzutage etwas mehr Frauen als Männer im Richteramt tätig, aber die Urteile aus den Schadensersatztabellen datieren Jahre und Jahrzehnte zurück. Gut möglich also, dass sich Tendenzen, die aus einer männerdominierten Zeit stammen, auf diese Weise fortsetzen.»


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