Schweizer Schulen dürfen Kopftuch nicht verbieten

fs /  Laut Bundesgericht dürfen muslimische Mädchen im Unterricht ein Kopftuch tragen. Auch wenn die Schule dies verbietet.

In der Schweiz muss ein Kopftuchverbot für Schülerinnen in einem Gesetz geregelt sein. Eine Schulordnung genügt als rechtliche Basis nicht. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Das Höchstgericht hatte den Fall von zwei Schülerinnen aus dem Kanton Thurgau zu entscheiden. Ihre Schule in der Gemeinde Bürglen verbietet seit Jahren in der Schulordnung Kopfbedeckungen wie Kappen und Kopftücher. Als vor zwei Jahren zwei damals 14-jährige muslimische Mädchen aus Mazedonien mit dem Kopftuch zur Schule kamen, wollten die Schulbehörden keine Ausnahme machen.
Die Thurgauer Erziehungsdirektion hatte als erste Rekursinstanz das Kopftuchverbot geschützt. Die Art der Bekleidung könne den Unterricht stören. Dies gelte auch für Kleider mit religiösem Symbolwert. Das kantonale Verwaltungsgericht hingegen ist letztes Jahr zum Schluss gekommen, dass es kein überwiegendes öffentliches Interesse an einem Kopftuchverbot für Schülerinnen gebe. Das Verbot sei deshalb ein unverhältnismässiger Eingriff in die verfassungsmässig garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Verbot muss gesetzlich geregelt sein
Das Bundesgericht ist mit seinem Entscheid weniger weit gegangen. Es verbietet einzig ein Kopftuchverbot in der Schulordnung. Eine so wichtige Frage müsse der kantonale Gesetzgeber in einem formellen Gesetz regeln.
Offen bleibt damit, ob ein Kopftuchverbot für Schülerinnen gegen die verfassungsmässig garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit verstösst. Konservative Parteien haben nun auf kantonaler Ebene Gesetzesvorschläge angekündigt, die es Schulen ermöglichen sollen, das Kopftuch zu verbieten. Damit ist absehbar, dass das Bundesgericht später entscheiden muss, ob ein gesetzliches Kopftuchverbot für Schülerinnen verfassungskonform ist. Bis es so weit ist, dürfen Schülerinnen mit Kopftuch zur Schule gehen.
Kopftuchverbot für Lehrerinnen
Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen im Kanton Genf hat das Bundesgericht vor über 15 Jahren geschützt. Die Neutralitätspflicht des Staates sei höher zu gewichten als das Recht der Lehrerin auf Religionsfreiheit. Das Höchstgericht erklärte das Verbot jedoch nicht zur landesweiten Norm. Europaweit sind Kopftuchverbote für Schülerinnen seltener als für Lehrerinnen. Frankreich verbietet das Kopftuch Schülerinnen und Lehrerinnen. Nun empfiehlt der Integrationsrat (Haut conseil à l’intégration) ein Kopftuchverbot auch für die Hochschulen.
In Deutschland dürfen Lehrerinnen an öffentlichen Schulen in einigen Bundesländern kein Kopftuch tragen.

Urteil des Bundesgerichts (Aktenzeichen: 2C–794/2012)


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