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Diese deutsche Mutter, die im IS-Gebiet lebte, will mit ihren Kindern zurück nach Deutschland. © ard

«Diese Frauen waren immer mehr als Hausfrauen»

fs /  Deutsche Frauen machen sich nicht automatisch strafbar, wenn sie im IS-Herrschaftsgebiet leben. In anderen Ländern traut man Hausfrauen eine aktive Rolle zu.

Deutsche Frauen, die im Herrschaftsgebiet des «Islamischen Staates» (IS) leben, gelten in Deutschland nicht automatisch als Mitglieder der terroristischen Vereinigung. Voraussetzung dafür sind direkte Unterstützungs- oder Kampfhandlungen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil entschieden, berichtet die «Süddeutsche Zeitung».

Auf freiem Fuss
Im konkreten Fall ging es um den Haftbefehl gegen die Deutsch-Türkin Sibel H. Sie reiste mit ihrem ersten Mann 2013 nach Syrien. Nach dessen Tod kehrte sie nach Deutschland zurück und reiste dann mit ihrem zweiten Mann, der wie der erste Mann aus der Salafisten-Szene stammt, erneut ins IS-Gebiet. Dort bekam sie zwei Kinder. Im Verlauf des Zerfalls des IS-Gebietes wurden beide verhaftet. Deutschland holte Frau und Kinder im Frühjahr zurück. Seither lebt Sibel H. auf freiem Fuss.

Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung
Generalbundesanwalt Peter Frank wollte sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hinter Gitter bringen. Er argumentierte, dass Frauen, die einen Kämpfer heiraten, Kinder bekommen und diese im Sinne der Ideologie des IS erziehen, die Terror-Organisation «von innen heraus stärken». Sie seien «Teil des Staatsvolkes» des Islamischen Staates. Der Bundesgerichtshof hingegen ist anderer Ansicht. Er begründet sein Urteil damit, dass Frauen, die sich am «Alltagsleben» der Terroristen beteiligen, einzig deshalb nicht als Mitglieder der terroristischen Vereinigung gelten können. Dafür brauche es direkte Unterstützungshandlungen für den IS.

Aktive Rolle von Ehefrauen und Müttern
In Belgien hat das Strafgericht Antwerpen im Frühjahr im Fall von drei Frauen anders entschieden, berichten belgische Medien. Es verurteilte alle wegen Teilnahme an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und einer Geldstrafe. Laut dem Urteil haben zwei Frauen im IS eine aktive Rolle gespielt, weil sie Ehefrauen von Kämpfern in Syrien und Mütter waren, die ihre Kinder zu Kämpfern erzogen. Die dritte Frau habe aktiv Frauen für Heiraten mit IS-Kämpfern rekrutiert.

«Das will man nicht wahrhaben»
Die französische Journalistin Edith Bouvier hat mit ihrer Kollegin Céline Martelet während drei Jahren Französinnen interviewt, die sich in Syrien und im Irak dem IS angeschlossen haben. Ihr Fazit: «Diese Frauen waren immer mehr als Hausfrauen.» Es sei für alle, auch Gerichte, schwierig zu akzeptieren, dass diese Ehefrauen und Mütter Tod und Gewalt bringen. «Das will man nicht wahrhaben und das nutzen diese Frauen aus.»


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