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Eine Fehl- oder Totgeburt gilt in Neuseeland neu als Trauerfall. © iug

Bezahlte Auszeit nach Fehl- oder Totgeburt

fs /  Eine Fehlgeburt ist keine Krankheit, sondern ein Verlust. In Neuseeland erhalten betroffene Eltern deshalb jetzt drei Tage bezahlten Trauerurlaub.

Weltweit hat jede zehnte Frau mindestens eine Fehlgeburt erlitten, schrieb kürzlich ein internationales Forschungsteam in der Fachzeitschrift «The Lancet». Es kritisierte, dass Fehlgeburten immer noch ein Tabu sind und zu wenig ernst genommen werden.

Trauerfall statt Krankheit
In Neuseeland hat das Parlament vor kurzem einstimmig beschlossen, dass Fehl- und Totgeburten nicht mehr wie bisher als Krankheit der Frau, sondern als Trauerfall gelten. Bisher mussten Frauen sich krankschreiben lassen, um nach einer Fehl- oder Totgeburt zu Hause bleiben zu können. Anspruch auf eine bezahlte Auszeit hatten sie einzig nach einer Totgeburt ab der 20. Schwangerschaftswoche. Neu ist zudem, dass die Auszeit beiden Elternteilen gewährt wird, unabhängig von der biologischen Elternschaft und dem Ehestatus. Sie gilt also beispielsweise auch für Adoptiveltern. Bezahlt wird die Auszeit von den Arbeitgebern.

Fehl- und Totgeburten enttabuisieren
Die Labour-Abgeordnete Ginny Andersen sagte gegenüber der BBC, die Trauer bei einer Fehlgeburt sei keine Krankheit, sondern ein Verlust, den man verarbeiten müsse. Sie hofft, dass mit der bezahlten Auszeit Fehl- und Totgeburten in der Gesellschaft enttabuisiert und andere Länder dem Beispiel Neuseelands folgen werden.

Die regierende Mitte-links-Partei Labour unter Premierministerin Jacinda Ardern gilt als Vorkämpferin für Frauenrechte. Letztes Jahr hat sie Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert und aus dem Strafgesetz gestrichen. In der Schweiz, Deutschland und vielen anderen Ländern mit Fristenregelungen sind Schwangerschaftsabbrüche rechtlich immer noch eine Straftat. Und Fehl-und Totgeburten gelten als Krankheit.

Keine Trauertage für Väter
In der Schweiz haben Mütter nach einer Totgeburt ab der 23. Schwangerschaftswoche Anrecht auf den ganzen Mutterschaftsurlaub (Elternzeit). Vorher gebe es keinen Anspruch auf bezahlte Trauertage, sagte Anna Margareta Neff, Leiterin der Fachstelle Kindsverlust Schweiz, gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender SRF. «Meistens wird die Frau dann krankgeschrieben. Aber sie ist ja nicht krank: Sie hat ihr Kind verloren und auch geboren.» Väter, deren Kind vor der Geburt stirbt, haben kein Anrecht auf bezahlte freie Tage. Mit der neuen Regelung würdige der neuseeländische Gesetzgeber den Verlust, den Eltern mit einer Fehl- oder Totgeburt erleiden, sagte Neff: «Sie sind nämlich trotzdem Mutter und Vater geworden.»
In Deutschland ist die Rechtslage ähnlich, berichtet die «Süddeutsche Zeitung»: Mütter können sich krankschreiben lassen, wenn sie ihr ungeborenes Kind vor der 24. Schwangerschaftswoche verlieren. Bei einer Totgeburt ab der 24. Woche gelten die Mutterschutzregelungen. Dem Vater wird keine Auszeit zum Trauern gewährt.


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