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Mädchen vor ihrer Einsperrung. Entführer tötete Föten mit Gewalt. © cnn

Mordanklage: Abtreibungsgegner freuen sich

Barbara Marti /  Dem Kidnapper von Cleveland, Ariel Castro, droht Anklage wegen Mordes an ungeborenen Föten. Das wäre in der Schweiz nicht möglich.

Eine Anklage wegen Mordes an einem Fötus ist nur dort möglich, wo Verfassung und Gesetze Föten als selbständige Rechtspersonen anerkennen. Weder in der Schweiz noch in den meisten Ländern Europas ist dies der Fall, in den USA nur in mehreren Gliedstaaten wie Ohio, zu dem die Stadt Cleveland gehört.
Der dortige Staatsanwalt Timothy McGinty will den verhafteten Entführer Ariel Castro wegen Mordes an Föten anklagen. Es droht die Todesstrafe.
Bei mindestens einer der drei eingesperrten Frauen soll Castro Schwangerschaftsabbrüche erzwungen haben. Laut Medienberichten soll er der Schwangeren nichts mehr zu essen gegeben und sie wiederholt in den Leib getreten haben.
Gesetz macht Abtreibungen strafbar

Die Mordanklage basiert auf einem Gesetz, das Abtreibungsgegner in Ohio durchgesetzt haben. Danach muss mit einer Mordanklage rechnen, wer einen Fötus im Bauch einer anderen Person tötet. Dieses Gesetz, das eine Eizelle vom Moment der Befruchtung an als rechtliche Person definiert, verletzt das Recht der Frauen, selber über eine Abtreibung zu entscheiden.
Falls der Kidnapper wegen Mordes verurteilt wird, gehen Rechtsfachleute davon aus, dass das Urteil bis vor das US-Höchstgericht weitergezogen wird. Dieses müsste dann zum ersten Mal entscheiden, ob ein Fötus im Mutterleib verfassungsrechtlich eine eigenständige Person ist oder nicht.

Obama droht mit Veto
In den USA lobbyieren die Abtreibungsgegner seit zwanzig Jahren für Gesetze, die eine Eizelle vom Moment der Befruchtung an als rechtliche Person definieren. Solche Gesetze sind heftig umstritten: Auf Bundesebene hat das Parlament 2004 ein Gesetz verabschiedet, das einen Fötus im Mutterleib als rechtliche Person definiert, sofern er wegen eines Verbrechens an der Mutter zu Schaden kommt (Unborn Victims of Violence Act). Vorstösse für eine erweiterte Anerkennung von Föten als rechtliche Personen machten Abtreibungsgegner seit dem Amtsantritt von Barack Obama kaum mehr, da Obama solche Gesetze mit seinem Veto blockieren kann. Doch mehrere Bundesstaaten haben Gesetze verabschiedet, die den Tod eines Fötus unter Strafe stellen. In anderen Bundesstaaten waren ähnliche Vorstösse hingegen chancenlos.
Die US-Verfassung hat noch nicht entschieden
Ziel der Abtreibungsgegner ist es, die Definition des Menschen vom Zeitpunkt der Befruchtung an in der US-Verfassung zu verankern und damit das Recht der Frauen, selber über eine Abtreibung zu entscheiden, zu kippen. Dieses Recht der Frauen basiert in den USA nicht auf einem Gesetz, sondern auf einem Urteil des Verfassungsgerichtes aus dem Jahr 1973. Darin heisst es, dass ein Mensch erst ab dem Zeitpunkt der Geburt rechtlich eine eigenständige Person ist.
Fast zwanzig Jahre später entschied das Höchstgericht allerdings, dass die einzelnen Bundesstaaten das Abtreibungsrecht einschränken dürfen, wenn ungewollt Schwangere dadurch «nicht unzumutbar belastet» werden. Seither haben zahlreiche Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die das Recht der Frauen einschränken, über ihren Körper selber zu entscheiden. Zuletzt hat der Bundesstaat North Dakota im Frühjahr die landesweit strengsten Gesetze gegen Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Eines dieser Gesetze legt fest, dass eine befruchtete Eizelle ab dem Moment der Zeugung eine Person im juristischen Sinne ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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