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Amnesty schütze den männlichen Orgasmus, lautet ein Vorwurf auf Twitter. © #questionsforamnesty

Prostitution: Amnesty-Vorschlag umstritten

/  Die Menschenrechtsorganisation will «freiwillige» Sexarbeit legalisieren. Dagegen gibt es intern heftigen Widerstand.

Einzelmitglieder haben Amnesty aus Protest bereits verlassen. Sektionen in Australien und Schweden lehnen den Vorschlag des internationalen Sekretariates kategorisch ab. Im Juni sollen ihn die Vorsitzenden der nationalen Amnesty-Sektionen an einem Treffen diskutieren. Die Ansichten gehen diametral auseinander.
Druck männlicher Mitglieder
Vor allem in Grossbritannien hätten männliche Mitglieder Druck auf Amnesty gemacht, sich für die Legalisierung des Kaufs und des Verkaufs von Sex einzusetzen, berichtet die «Australian Broadcasting Corporation» (ABC). Das internationale Sekretariat habe darauf ein Hintergrundpapier verfasst. An die Öffentlichkeit kam dieses durch die Indiskretion einer Amnesty-Angestellten, die aus Protest gleichzeitig kündigte. Darin heisst es, dass die Menschenrechtspolitik auch die Rechte der Sexarbeiterinnen und -arbeiter schützen müsse, damit diese frei von Angst, Gewalt und Diskriminierung leben können. Mädchen und Frauen würden vielerorts strukturell diskriminiert. Daran ändere sich nichts, wenn Staaten den Kauf und Verkauf von «freiwilliger» Sexarbeit bestrafen.

Kritik von Jimmy Carter
Die schwedische Sektion von Amnesty International distanzierte sich sofort vom Vorschlag der Legalisierung. Kürzlich hat sie offiziell einen Gegenvorschlag gemacht: Der Verkauf sexueller Dienstleistungen soll legal sein, der Kauf hingegen verboten werden. Ähnliche Stellungnahmen hatten zuvor Amnesty-Sektionen in Australien beschlossen. Anfang Mai kritisierte der frühere US-Präsident Jimmy Carter in einem Brief an Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty den Vorschlag des internationalen Sekretariates und stärkte damit in der Öffentlichkeit die Position der Gegner einer Legalisierung der Prostitution.
Entscheid frühestens im Herbst
Nach dem Treffen der nationalen Amnesty-Sektionen im Juni wird das Amnesty-Exekutivkomitee frühestens im kommenden Herbst über den Vorschlag des Sekretariates entscheiden. Gelingt dies nicht, geht er vor den internationalen Rat, das oberste Amnesty-Gremium. Dieser tagt erst wieder im August 2015.

Unterschiedliche rechtliche Regelungen
Die Frage, ob der Staat Freier bestrafen oder im Gegenteil die Prostitution legalisieren soll, ist umstritten. Die rechtlichen Regelungen sind entsprechend unterschiedlich. Schweden, Norwegen und Island haben den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Bestraft werden nur die Freier. In Frankreich entscheidet das Parlament demnächst abschliessend über eine solches Verbot.
In Deutschland und den Niederlanden ist Prostitution eine legale Erwerbsarbeit. Beide Länder planen, sie strenger als bisher zu reglementieren.
Österreich und die Schweiz gehören zu einer Gruppe von Ländern, welche die Prostitution tolerieren, sie aber rechtlich nicht als Erwerbsarbeit anerkennen. In der Schweiz deuten neuere Entscheide von Gerichten und von Kantonen und Gemeinden auf eine Trendwende zur Legalisierung der Prostitution hin.

Umstrittene Freiwiligkeit
Die Befürworterinnen eines Verbotes argumentieren, dass es keine freiwillige Prostitution gibt. Alle Prostituierten seien Opfer von Zuhältern und Menschenhändlern. Der Staat müsse deshalb bei den Freiern ein Unrechtsbewusstsein schaffen, Zuhälter bestrafen und Prostituierte beim Ausstieg unterstützen.
Die Gegnerinnen eines Verbotes argumentieren, dass es eine freiwillige Prostitution gibt und strafrechtliche Regelungen das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung verletzen. Der Staat müsse deshalb die rechtliche Diskriminierung von Sexarbeiterinnen beenden und sie mit anderen Erwerbstätigen gleichstellen.


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