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Die grüne Abgeordnete Liesbeth van Tongeren will Freier von Zwangsprostituierten kriminalisieren. © gl

Prostitution: Wende in den Niederlanden

/  Weltweit als erstes Land haben die Niederlande im Jahr 2000 Prostitution zu einer gewöhnlichen Erwerbsarbeit gemacht. Nun rudert das Parlament zurück.

Grund für den Sinneswandel ist die Erkenntnis, dass es trotz Legalisierung weiterhin Zwangsprostitution gibt. Sexuelle Ausbeutung muss gemäss einer EU-Richtlinie bestraft werden. In den Niederlanden müssen Freier neu mit Konsequenzen rechnen, wenn es deutliche Anzeichen gibt, dass eine Prostituierte unter Zwang arbeitet und sie dies nicht melden. Es droht eine Haftstrafe von maximal vier Jahren. Einem entsprechenden Gesetz hat das Unterhaus des niederländischen Parlamentes zugestimmt. Es wird erwartet, dass auch das Oberhaus zustimmen wird.

«Legalisierte Sklaverei»
Mit der Legalisierung der Prostitution vor 16 Jahren wollte die damalige niederländische Regierung Prostitution zu einem Beruf wie jeden anderen machen und damit die Zwangsprostitution zum Verschwinden bringen. Doch diese gibt es nach wie vor, weil das Geschäft mit dem Sex für Zuhälter und Menschenhändler offenbar zu lukrativ ist. Über das Ausmass der Zwangsprostitution gibt es lediglich Schätzungen. Danach werden 50 bis über 80 Prozent aller Prostituierten von Zuhältern und Menschenhändlern zum Sex gezwungen. Die Tageszeitung «Trouw» schreibt von «legalisierter Sklaverei».

Präventive Wirkung
Die kleine calvinistische Partei «ChristenUnie» hat die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten vorgeschlagen. Sie begründete ihren Vorstoss damit, dass die Legalisierung der Prostitution nicht zu weniger Opfern von Zwangsprostitution geführt habe. Die Beweisführung gegen einen Freier werde zwar schwierig sein, sagte Liesbeth van Tongeren, Vize-Vorsitzende der Grün-Linken. Aber das Gesetz könne präventiv dafür sorgen, dass Freier verdächtige Orte wie Keller oder Garagen meiden. «Wer beim Besuch einer Prostituierten in einer Kellerbox landet, wo er auf ein viel zu junges Mädchen trifft, das kein Nederlands spricht und mit blauen Flecken übersät ist, kann schwer davon ausgehen, dass es sich freiwillig prostituiert.»

Unterschiedliche Gesetze
Die Frage, ob es eine freiwillige Prostitution gibt und ob diese von Zwangsprostitution unterschieden werden kann, ist umstritten. Die rechtlichen Regelungen sind entsprechend unterschiedlich. Die Niederlande und Deutschland haben die Prostitution legalisiert. Allerdings plant auch Deutschland eine Gesetzesänderung und will Freier von Zwangsprostituierten bestrafen. Der Gesetzentwurf der Regierung sieht eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft vor. Zuhälter von Zwangsprostituierten sollen mit maximal zehn Jahre Haft rechnen müssen.

Andere Staaten wie Schweden, Norwegen, Island und Kanada haben den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Bestraft werden nur die Freier. Zuletzt hat Frankreich nach jahrelangem Ringen ein solches Verbot beschlossen.

Umstrittene Freiwiligkeit
Die Befürworterinnen eines Verbotes der Prostitution argumentieren, dass es keine freiwillige Prostitution gibt. Alle Prostituierten seien Opfer von Zuhältern und Menschenhändlern. Der Staat müsse deshalb bei den Freiern ein Unrechtsbewusstsein schaffen, Zuhälter bestrafen und Prostituierte beim Ausstieg unterstützen.
Die Gegnerinnen eines Verbotes argumentieren, dass es eine freiwillige Prostitution gibt und strafrechtliche Regelungen das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung verletzen. Der Staat müsse deshalb die rechtliche Diskriminierung von Sexarbeiterinnen beenden und sie mit anderen Erwerbstätigen gleichstellen.


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