Beginenhof_brgge

Beginenhof in Brügge © Elke Wetzig/Wikimedia Commons/cc

Belgien: Ende einer 800 Jahre alten Tradition

fs /  Der Tod der letzten Begine beendet die 800 Jahre alte Tradition unabhängiger Frauengemeinschaften in Europa.

Mit 91 Jahren ist im Frühling im westbelgischen Kortrijk mit Marcella Pattyn die letzte Begine gestorben, berichtet die katholische Nachrichtenagentur kipa. Damit geht eine über acht Jahrhunderte alte Tradition unabhängiger Frauengemeinschaften zu Ende. Diese führten in ganz Europa unabhängig von der katholischen Kirche ein Leben mit klosterähnlichen Regeln. Viele lebten in Hausgemeinschaften, den Beginenhöfen. Einige dieser typischen Wohnanlagen in Flandern wurden 1998 in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco aufgenommen.

Von Kirche und Obrigkeit unabhängig

Die Bewegung der Beginen geht ins 13. Jahrhundert zurück, als unverheiratete Frauen sich in eigenen Gemeinschaften zusammenschlossen. Sie gelobten Armut, Keuschheit und Gehorsam. Dieses Gelübde erfolgte im Unterschied zum Gelübde von Ordensschwestern nicht auf Lebenszeit. Ihren Unterhalt verdienten die Beginen damals mit der Tuchherstellung, Waschen, Klöppeln und Spinnen. Sie pflegten Kranke, kümmerten sich um Arme, wuschen Leichen und beteten für Verstorbene. Einige Gemeinschaften waren wirtschaftlich erfolgreich, was für Unruhe unter den städtischen Zünften sorgte. Neben den sesshaften Beginengemeinschaften entstanden im ausgehenden 13. Jahrhundert wandernde Gemeinschaften, die wie «Bettelorden» ihren Lebensunterhalt durch Bettelei sicherten. Diese Beginen standen ausserhalb jeder sozialen Kontrolle und waren deshalb nicht nur von der katholischen Kirche, sondern auch von den Städtern ungern gesehen.

Als Ketzerinnen angeprangert und verfolgt

Die Kirchenoberen wussten zunächst nicht, wie sie mit den Beginen umgehen sollen. Schliesslich verurteilte das Konzil von Vienne das Beginentum 1312 als ketzerisch. Davon nahm der Papst allerdings die Beginenhöfe in den südlichen Niederlanden (Flandern) aus. Ihre Bewohnerinnen entgingen damit der Verfolgung durch die Inquisition, die im restlichen Europa den Untergang der Bewegung einleitete. Einige Beginenhöfe, wie Gent und Mechelen, zählten nach der Reformation noch über 1200 Beginen. Im 20. Jahrhundert erfolgte der endgültige Niedergang des Beginentums. Ende der 1970er Jahre gab es in Flandern nur noch 59 Beginen. Mit dem Tod von Marcella Pattyn ist diese Tradition nun ausgestorben.

Lebens- und Wohnprojekte von Frauen für Frauen

In neuer Form lebt das Beginentum beispielsweise in Deutschland weiter. Dabei handelt es sich um generationenübergreifende Lebens- und Wohnprojekte von Frauen für Frauen. Ingrid Hüfken, Mitinitiantin des vor sechs Jahren eröffneten Beginenhofes in Essen, sagte nach dem Tod von Marcella Pattyn gegenüber Radio Vatikan: «Ich freue mich, dass es mit ihrem Tod nicht zu Ende ist, sondern dass wir es geschafft haben, eine Idee, eine Bewegung, ein Interesse aufleben zu lassen und in die heutige Zeit zu übersetzen, sodass eine Tradition ein Stück weit weiterleben kann. Das geschieht auch zu Ehren dieser Frauen, die sich damals für diesen Weg entschieden haben. Das sind unsere Mütter, auf deren Schultern wir stehen.»


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