Deutschland: Scheidung nach islamischem Recht

fs /  In Deutschland kann eine Ehe, die nach islamischem Recht geschlossen wurde, auch nach islamischem Recht wieder geschieden werden.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte den Fall eines Ehepaares zu beurteilen, das im Iran nach islamischem Recht geheiratet und dabei notariell die Bedingungen für eine Scheidung vereinbart hatte. Gemäss Ehevertrag hatte die Frau das Recht, die Scheidung einzureichen, wenn der Ehemann während mindestens sechs Monaten seiner Ehefrau den Lebensunterhalt nicht zahlt, ihre Rechte nicht achtet und ein «unerträgliches Benehmen» an den Tag legt. Zudem verpflichtete die Vereinbarung den Mann, der Frau im Fall der Scheidung ein Brautgeld (Morgengabe) in der Höhe von 800 Goldmünzen zu zahlen.
Zehn Jahre nach der Heirat zog das Paar nach Deutschland. Jahre später reichte die Frau die Scheidung ein, weil ihr Mann gewalttätig geworden sei. Der Mann wies diesen Vorwurf zurück. Der Scheidung wollte er nur zustimmen, wenn die Frau auf das Brautgeld verzichtet. Unterhalt bezahlte er in der Folgezeit nicht.
Das Oberlandesgericht Hamm hat die Klage des Mannes gegen die Scheidung abgewiesen. Es begründete sein Urteil damit, dass die Frau wegen dessen Verhalten in eine materielle Notlage gekommen sei, was nach iranischem Recht ein gesetzlicher Scheidungsgrund sei. Die Zustimmung des Ehemannes sei nicht erforderlich. Eine Scheidung sei zudem aufgrund des Ehevertrages möglich. Der Ehemann habe über sechs Monate keinen Unterhalt bezahlt. Und sein Verhalten sei für die Frau so unerträglich, dass sie das Eheleben nicht fortsetzen könne.
Brautgeld im Wert von 800 Goldmünzen als Unterhalt
Laut dem Urteil muss der Mann nun das Brautgeld im Gegenwert von 800 Goldmünzen zahlen. Mathias Rohe, Experte für internationales Privatrecht an der Universität Erlangen, sagte in der «Tageszeitung», dass das Brautgeld im Iran die einzige Möglichkeit für Frauen sei, sich im Fall der Scheidung finanziell etwas abzusichern. Nachehelichen Unterhalt erhalte eine geschiedene Frau meist nur für wenige Monate zugesprochen.
Die deutschen Gerichte sind laut dem Oberlandesgericht Hamm zuständig, weil beide Eheleute in Deutschland leben. In der Sache sei materiell iranisches Scheidungsrecht anzuwenden, da der Ehevertrag dort abgeschlossen worden ist. Das ergebe sich aus einem Staatsvertrag aus dem Jahre 1929, der immer noch gültig sei. Frauenrechtsaktivistinnen kritisieren die Anwendung islamischen Rechts in Deutschland. Das könne dazu führen, dass der Mann im Ehe- und Familienrecht privilegiert werde, oder die deutschen Kranken- und Sozialversicherungen Polygamie dulden müssen.


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