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Auszug aus dem neuen Sprachleitfaden der Stadt Hannover. © H

Genderstern* ersetzt Binnen-I

fs /  Erstmals verwendet die Verwaltung einer deutschen Grossstadt den Genderstern. Die Reaktionen gehen diametral auseinander.

Die Stadt Hannover hat kürzlich «Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache» veröffentlicht. Danach haben geschlechtsumfassende Formulierungen Vorrang: «Redeliste» statt «Rednerliste». Wenn es keine passende Formulierung gibt, soll der Genderstern das bisher empfohlene Binnen-I ersetzen: «Politiker*in» statt «PolitikerIn».

«Alle Menschen ansprechen»
Die Empfehlungen der Stadtregierung sind für den Schriftverkehr der Stadtverwaltung verbindlich. Laut Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) will die Stadtregierung alle Menschen «unabhängig von ihrem Geschlecht» ansprechen. Seit Anfang dieses Jahres anerkennt Deutschland offiziell das dritte Geschlecht im Personenstandsregister.

«Frauen als Anhängsel»
Die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch bedauerte gegenüber der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung HAZ» die Einführung des Gendersterns in ihrer Heimatstadt Hannover. Sie kritisiert, dass der Genderstern Wörter in Teile zerreisst und Frauen der letzte Teil zugedacht ist: «Die Frauen finden sich als Anhängsel wieder, wie zu Anfang der feministischen Sprachkritik.» Pusch empfiehlt das generische Femininum, das Männer in der weiblichen Form mitmeint. Weil sich dies kaum durchsetzen wird, plädiert Pusch für das Binnen-I. Dieses komme dem generischen Femininum noch am nächsten.

Stephan Weil (SPD), früherer Oberbürgermeister von Hannover und heutiger Ministerpräsident von Niedersachsen, kritisiert die Sprachempfehlungen aus einem ganz anderen Grund. Er hat Bedenken, dass Politik und Verwaltung sich «zu sehr von der Alltagssprache der Menschen entfernen».

Empfehlungen sind «mutig»
Hingegen begrüsst Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) die Sprachempfehlungen der Stadt Hannover. «Wir haben eine sehr männlich dominierte, männliche geprägte Sprache. Dabei sind eben 50 Prozent mindestens Frauen», sagte sie dem privaten Radiosender ffn. Gabriele Diewald, Linguistin an der Leibniz-Universität Hannover, findet die Empfehlungen der Stadt «mutig». Wenn Sprache und Schriftbild sich ändern, gebe es immer viel Aufregung, sagte sie der HAZ. «Ich empfehle eher, sich abzuregen. Sprache unterliegt ständigem Wandel.»

Genderstern statt Binnen-I
Bisher empfahlen Hannover und andere Städte in Deutschland das Binnen-I. Nun ist Hannover die erste grosse Stadt in Deutschland, die den Genderstern empfiehlt, der zurzeit vor allem an Hochschulen verwendet wird. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat Ende letzten Jahres entschieden, vorerst keine Empfehlung zum Genderstern abzugeben und die gesellschaftliche «Erprobungsphase» verschiedener geschlechtergerechter Schreibweisen abzuwarten.


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