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Marlies Krämer fordert, dass Frauen sprachlich sichtbar sind. © ard

«Ich werde als Frau totgeschwiegen»

fs /  In Deutschland kämpft eine Frau seit Jahrzehnten vor Gericht für eine geschlechtergerechte Sprache. Niederlagen können sie nicht stoppen.

Die Sparkasse Saarbrücken muss Frauen in den vorgedruckten Formularen nicht mit der weiblichen Form ansprechen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden und damit das Urteil der Vorinstanz bestätigt (VI ZR 143/17). Für Klägerin Marlies Krämer ist dies eine juristische Niederlage. Doch sie lässt sich nicht entmutigen und will ihre Klage jetzt dem Bundeverfassungsgericht vorlegen.

Klage
Die 80-Jährige hatte beanstandet, dass die Bank sie in unpersönlichen Formularen und Vordrucken mit «Kunde», «Kontoinhaber», «Einzahler» oder «Sparer» anspricht. «Ich sehe überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwiegen werde», sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein. Die Bank argumentierte, das sei zu aufwendig. Zudem verwende sogar der Gesetzgeber das generische Maskulinum, das geschlechtsneutral verstanden werde. Banken müssten nicht korrekter sein als der Gesetzgeber.

Urteilsbegründung
Der Bundesgerichtshof teilt diese Ansicht. Laut dem Urteil verstösst die männliche Anrede weder gegen das Persönlichkeitsrecht noch gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Die Klägerin werde in persönlichen Schreiben der Bank als Frau angesprochen und in unpersönlichen Formularen durch die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen nicht als Frau diskriminiert. Das generische Maskulinum werde auch in zahlreichen geltenden Gesetzen verwendet. «Dieser Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprachverständnis.» Eine Geringschätzung von Menschen mit einem anderen Geschlecht sei damit nicht verbunden.

«Die Frau ist nicht der Rede wert»
Deutsche Frauenverbände sprechen von einem unverständlichen Urteil. Die Sprachforschung zeige, dass das generische Maskulinum nicht geschlechtsneutral verstanden werde, wie der BGH behaupte. Vielmehr mache es Frauen unsichtbar. «Die Frau ist nicht der Rede wert» hatte die feministische Linguistin Luise F. Pusch schon vor Jahrzehnten festgestellt. Laut dem Deutschen Juristinnenbund ist Sprache «ein Spiegel gesellschaftlicher Strukturen und damit auch ein Ausdruck von hergebrachten Hierarchien. Kommen Frauen in Sprache nicht vor, werden damit Realitäten geschaffen oder zementiert.»

«Schlüssel zur Gleichberechtigung»
Marlies Krämer bezeichnet sich als «bekennende Feministin». Sprache sei der «Schlüssel zur Gleichberechtigung». Sie sei nicht verbissen, «aber ich lasse mir auch nichts gefallen». Zwei grosse Erfolge hatte sie errungen:

  • Vor Gericht ereichte sie, dass im Reisepass bei der Unterschrift die Formulierung «Inhaber» durch «Inhaber bzw. Inhaberin» ersetzt wurde.
  • Und in den neunziger Jahren sammelte sie erfolgreich Unterschriften, damit Wetter-Hochdruckgebiete auch weibliche Namen erhalten. Vorher war gängige Praxis, dass Tiefdruckgebiete Frauennamen und Hochdruckgebiete Männernamen erhielten.

Keine Änderung der Nationalhymne
In Deutschland haben es sprachliche Änderungsvorschläge grundsätzlich schwer. Zuletzt hat die Frauenbeauftragte des Bundesfamilienministeriums zwei kleine Änderungen im Text der Nationalhymne angeregt. «Vaterland» könne man durch «Heimatland» und «brüderlich» durch «couragiert» ersetzen. Der Vorschlag stiess auf heftige Ablehnung, auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD). Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es gebe «keinen Bedarf einer Änderung».


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