Kontroverse über Femen-Aktivistinnen

fs /  Ein Dok-Film zeigt auf: Die ukrainischen Femen-Aktivistinnen sind von einem autoritären Mann gesteuert und kontrolliert worden.

Ein Dokumentarfilm über die ukrainischen Femen-Aktivistinnen, die barbusig für Frauenrechte kämpfen, hat eine Kontroverse über die Glaubwürdigkeit der Gruppe ausgelöst. Femen werde von einem Mann kontrolliert und sei deshalb unglaubwürdig, sagen Kritikerinnen. Die Aktivistinnen sagen, sie hätten den Mann entlassen und nun beginne der selbstbestimmte Kampf für die Frauenrechte.
Femen-Frauen bezahlt und erniedrigt
Die australische Dokumentarfilmerin Kitty Green, die mehr als ein Jahr mit den Femen-Aktivistinnen zusammen gelebt hat, zeigt, wie Wiktor Swjatski als autoritärer Patriarch die Aktivistinnen nach Schönheit für die Nacktproteste auswählte und ihnen beibrachte, politische Aktivistinnen zu sein. Teilweise habe er sie bezahlt, erniedrigt und in emotionaler Abhängigkeit gehalten.
«Ein Mann steuert die entblössten Femen-Frauen» (Focus), «Naiv und kontrolliert» (Tageszeitung), «Erniedrigte Amazonen» (Süddeutsche Zeitung) und «Die Feministinnen und ihr autoritärer Patriarch» (Neue Zürcher Zeitung) lauteten danach einige Schlagzeilen.
Anna Hutsol, Femen-Gründerin, sagte gegenüber der «Süddeutschen Zeitung», sie habe Swjatski kurz nach der Gründung 2008 zu Femen geholt, weil sie ihn als «klugen Politologen» schätze. «Er sollte uns erstens ideologisch unterstützen, und zweitens wollten wir die Männer besser verstehen.»
Patriarch aus der Gruppe ausgeschlossen
Dass Swjatski für Femen arbeitete, war schon länger öffentlich bekannt, da er Interviews gab. Diese lösten im Unterschied zum Dokumentarfilm jedoch keine weltweite Empörung aus. Swjatski sei immer dominanter geworden, sagt Anna Hutsol. Deshalb habe sie ihn vor einem Jahr gebeten, die Gruppe zu verlassen. Er habe seither keinen Einfluss mehr auf die Gruppe. Der Film dokumentiere den Kampf innerhalb von Femen: «Der Zuschauer sieht den Kampf von uns Frauen gegen einen Mann, und wir gewinnen diesen Kampf.»
Inna Schewtschenko, die seit einem Jahr im Exil in Paris lebt und Femen Europa aufbaut, sagte «Zeit online», sie sei auch nach Paris gezogen, weil sie es mit Viktor Swjatski als Befehlsgeber nicht mehr ausgehalten habe. «Er war das wahre Gesicht des Patriarchats.» Die Frauen von Femen hätten keine Angst, zu diesem Teil ihrer Geschichte zu stehen. «Mit der Wut und dem Hass, den wir dank ihm jetzt in uns tragen, werden wir die Bewegung weiterführen.»
«Beichte» soll Neuanfang ermöglichen
Regisseurin Kitty Green, Australierin mit ukrainischen Wurzeln, versteht ihren Film als eine Art Beichte der Aktivistinnen, die einen Neustart erst möglich macht: «Ich habe gesehen, dass die Frauen sich gegen den Mann auflehnen, und ich habe diesen Kampf dokumentiert.» Kritikerinnen sind jedoch der Meinung, dass Femen die Glaubwürdigkeit verloren habe. Die Aktivistinnen hätten sich von einem Mann instrumentalisieren lassen und sich nicht selbstbestimmt für ihre politischen Ziele entblösst. Sie seien mit dem Anspruch, die Macht und Deutungshoheit über die weibliche Nacktheit den Männern zu entreissen, gescheitert.
Die «Süddeutsche Zeitung» weist in einem Kommentar darauf hin, dass die Aktivistinnen und auch Wiktor Swjatski wegen der Protestaktionen für Frauenrechte wiederholt schwer misshandelt und eingesperrt worden sind. «Die Frauen und selbst das durchtriebene Mastermind Swjatski riskierten dafür, ganz wörtlich, ihre Haut.»


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