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Griechische Musliminnen müssen nicht mehr zwingend vor ein religiöses Gericht. © dapd

Musliminnen müssen nicht mehr vor Scharia-Gericht

fs /  Muslimische Griechinnen können bei Familienstreitigkeiten neu ein ziviles Verfahren verlangen. Doch die Paralleljustiz bleibt im EU-Land bestehen.

In der Region Thrakien im Nordosten Griechenlands an der Grenze zu Bulgarien lebt eine muslimische Minderheit. Seit 1923 entscheiden hier ausschliesslich muslimische Geistliche Streitfälle im Familien- und Erbschaftsrecht. Dazu gehören beispielsweise Eheschliessungen und Scheidungen. Kürzlich hat das griechische Parlament mit grosser Mehrheit beschlossen, diese alleinige Zuständigkeit religiöser Gerichte aufzuheben. Neu müssen beide Parteien zustimmen, wenn ein Streitfall vor ein religiöses Gericht kommen soll.

Paralleljustiz bleibt
Regierungschef Alexis Tsipras sprach laut der Nachrichtenagentur dpa von einem «historischen Schritt». Alle griechischen Bürgerinnen und Bürger hätten nun die gleichen Rechte. Und gleichzeitig werde die «Tradition der Minderheit» respektiert. Hingegen hatten Mitglieder seiner Linkspartei Syriza verlangt, religiöse Gerichte in Griechenland grundsätzlich zu verbieten. Ihrer Ansicht nach sollen einzig zivile Gerichte für Familienangelegenheiten zuständig sein. Ein 13-jähriges Mädchen, dessen Eltern beschlossen haben, dass und wen es heiraten soll, könne gegen eine Eheschliessung vor einem religiösen Gericht keinen Widerspruch einlegen.

Verbot nicht umsetzbar
Das Beispiel Grossbritannien zeigt, wie schwierig es für den Rechtsstaat ist, die dort ebenfalls existierende Paralleljustiz abzuschaffen. Eine von der britischen Regierung in Auftrag gegebene und von der Islamwissenschaftlerin Mona Siddiqui von der Universität Edinburgh geleitete Untersuchung zeigt, dass solche Gerichte Frauen und Mädchen schwer diskriminieren können. Die Betroffenen wissen in der Regel nicht, dass sie sich dagegen vor einem staatlichen Gericht wehren könnten. Ein Verbot dieser muslimischen Gerichte sei nicht umsetzbar, heisst es im kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht. Er empfiehlt, dass von Scharia-Gerichten verheiratete Paare ihre Ehe zwingend auch zivil registrieren lassen müssen. Das schütze die Rechte von Frauen im Fall einer Scheidung. Und es brauche staatliche Aufklärungskampagnen, die Frauen und Mädchen über ihre Rechte und deren Durchsetzung informieren.
Der Vorschlag der Untersuchungskommission, dass der Staat einen Verhaltenskodex für die Scharia-Gerichte vorschreiben soll, hat das britische Innenministerium bereits abgelehnt. Dies würde eine staatliche Anerkennung der Gerichte und damit einer Paralleljustiz bedeuten.

Höchstgericht erklärt islamische Scheidungen für ungültig
Kürzlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Fall aus Deutschland entschieden, dass Gerichte in der EU Scheidungen nicht mehr anerkennen dürfen, die im Ausland ohne Mitwirken des Staates erfolgt sind.


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